Schwiegertöchter (German Edition)
unmittelbar beteiligt sein an dem ganzen Getöse und Getue einer Familie, man wolle nur am Rand dabei sein und beobachten, aber nicht direkt mitmachen. Das Fernsehen sei dafür perfekt geeignet, sagte Luke. Es stand auch ein Apparat im Studio, den er anstellte, sobald Jed den Raum verließ, als hätte er Angst, dachte Charlotte, es könne sich in der Stille irgendein finsterer Geist einschleichen.
Zuerst versuchte sie zu lauschen, was Luke sagte, aber es war nichts zu verstehen, und die Geräusche von der Straße dämpften selbst hier oben noch seine Stimme. Also drehte sich Charlotte vorsichtig auf die Seite, drückte ein Kissen an sich und versuchte erneut, Genugtuung zu empfinden, dass sie in ihrer Meinung über Petra bestätigt worden war. Sie schaffte es nicht, ebenso wenig, wie sie es auch nur ansatzweise schaffte, die Beziehung zwischen Ralph und Petra zu verstehen. Eine vermeintlich erwachsene Beziehung, die Charlotte vollkommen abstrus und unzulänglich vorkam, da ihre wesentliche Basis nur die örtliche Nähe zu Ralphs Eltern, Petras Schwiegereltern, und deren Unterstützung zu sein schien. Auch wenn das, was ihre Schwester über Rachel gesagt hatte, Charlottes Zorn und Empörung besänftigen konnte, ihre Zuneigung zu Rachel hatte es nicht gesteigert. Schwiegermütter sind nun mal so, hatte Sarah gemeint. Sie können nicht anders. Sie werden einem nie vergeben, dass man ihre Jungs geheiratet hat, das muss man einfach so akzeptieren. Deine Schwiegermutter ist kein bisschen anders. Charlotte dachte an ihren Hochzeitstag, an ihre beinahe überschwängliche Bereitschaft, alle zu lieben, auch Rachel, und sie erinnerte sich daran, wie Rachel sie in der Sakristei geküsst hatte, als sie die Trauungsurkunden unterzeichneten. Sie erinnerte sich daran, dass sie sich wegen ihrer Größe und der hohen Hacken ein wenig runterbeugen musste, und wie flüchtig und trocken Rachels Wange ihre eigene berührt hatte, und dass sie nichts gesagt hatte. Sie hatte nicht »Ich freue mich so für euch« gesagt oder »Luke ist wirklich ein Glückspilz« oder etwas in der Art. Und später hatte Charlotte sie zusammen mit Petra gesehen, wie sie die Jungs fütterten, und sie hatte ihren grünen Federhut abgesetzt gehabt und ausgelassen gelacht. Und jetzt? Lachte sie jetzt auch? Wohl kaum, dachte Charlotte grimmig – und schließlich mit einer Spur Genugtuung.
Als Luke zurück ins Wohnzimmer kam, setzte er sich neben Charlotte auf die Sofakante. »Geht es dir gut, mein Engel?«
»Pfff«, machte Charlotte.
Luke nahm ihre Hand. »Ich würde dir die Übelkeit abnehmen, wenn ich könnte.«
»Ich weiß«, sagte Charlotte. Sie sah ihn an. »Wie war euer Gespräch?«
Luke sagte: »Ed geht es genau wie mir. Wir haben uns nur im Kreis gedreht. Wir wissen nichts Konkretes und können nur spekulieren.«
»Und wenn Ralph in Aldeburgh bliebe?«
»Char, das geht nicht. Er muss arbeiten.«
»Aber deine Eltern könnten helfen, sie helfen ihnen doch sowieso dauernd.«
Luke umschloss mit beiden Händen ihre Hand. »Ed hat mich gebeten, mit ihm hinzufahren.«
»Wo hinzufahren?«
»Nach Suffolk«, sagte Luke. »Und es ihnen zu sagen.«
Charlotte setzte sich langsam auf. Sie sagte: »Ihr wollt beide den ganzen Weg nach Suffolk fahren? Warum könnt ihr es ihnen nicht am Telefon sagen? Warum kann Ralph es ihnen nicht sagen?«
»Er kann es eben nicht«, sagte Luke zerknirscht. »Er hat Ed und Ed hat mich gebeten. So was – so was kann man nicht am Telefon besprechen, weil … wegen …«
»Petra?«
»Gewissermaßen«, sagte Luke.
Charlotte schwang die Beine über die Sofakante und drückte sich das Kissen in den Schoß. »Übertreibt ihr die Sache nicht alle ein bisschen?«
»Und wenn es eine deiner Schwestern wäre? Was ist, wenn Sarah sich plötzlich ein bisschen amüsieren würde, weil ihr Chris’ Flugunterricht nicht gefällt? Würdest du das deiner Mutter nicht lieber persönlich sagen?«
Charlotte deutete ein Schulterzucken an. »Vielleicht …«
Luke drückte ihre Hand.
»Ich weiß, dass du von Mum die Nase voll hast. Und von Dad. Ich weiß, du fühlst dich im Stich gelassen, und alles. Ich weiß, was du von Petra denkst. Aber – sie sind meine Familie. So ist das nun mal. Und meine Eltern werden am Boden zerstört sein.«
Charlotte schwieg einen Moment und schaute auf ihre von Lukes Händen umschlossene Hand. Dann sagte sie halblaut: »Oh, sie werden Petra vergeben.«
Luke schaute durch den Raum. Dann richtete er eindringlich
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