Schwiegertöchter (German Edition)
Rhythmus, der einen wahrscheinlich verrückt machte, wenn man nicht daran gewöhnt war. Sie überlegte, ob sie Hunger hatte, und stellte fest, dass sie durch ihr Vorhaben viel zu angespannt war. Sie kehrte wieder um und ging landeinwärts zur High Street, um dort einen Einheimischen – Urlauber aus London erkannte man auf den ersten Blick – nach Ralphs und Petras Haus zu fragen.
Ralph hielt die Tür weit genug auf, um hinauszuspähen, aber nicht so weit, um sie hereinzulassen, und Charlotte war sich nicht sicher, ob er sie überhaupt erkannte.
»Hoppla«, sagte Charlotte. »Hab ich dich geweckt?«
Ralph fuhr sich mit der Hand prüfend übers Kinn, als könne er anhand der Stoppeln die Tageszeit abschätzen. Er trug abgeschnittene Jeans und ein schlabberiges T-Shirt. Charlotte, im kurzen Sommerkleid und Espadrillos mit Keilabsatz, fand, dass er schrecklich aussah.
»Nein«, sagte Ralph. »Nein. Ich – es ist nur, ich habe dich nicht erwartet.«
»Ich hab meinen Besuch auch nicht angekündigt«, meinte Charlotte. »Also konntest du das auch nicht.« Sie lächelte ihn an. »Ich habe Ed und Luke bei euren Eltern abgesetzt. Dann dachte ich, ich schaue mal vorbei.«
Ralph öffnete die Tür keinen Zentimeter weiter. Er sah an Charlotte vorbei, statt sie anzuschauen. »Ich fürchte, das ist – das ist kein guter Zeitpunkt …«
»Ich weiß«, sagte Charlotte. »Deshalb bin ich hier.«
Ralph seufzte. »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich kann nicht mit dir reden, wirklich. Ich kenne dich nicht – gut genug …«
»Nein«, bestätigte Charlotte. Bei seinem Anblick wuchs ihr Selbstvertrauen, seine abgerissene Erscheinung minderte ihre Unsicherheit gegenüber dem leicht befremdlichen, unberechenbaren Schwager, der gelegentlich auf ihrem Sofa geschlafen, aber kaum ein Wort mit ihr, nur mit Luke gesprochen hatte.
Ralph sagte offensichtlich genervt, aber nicht unbedingt an Charlotte gerichtet: »Du meine Güte, was hab ich denn verbrochen?«
Charlotte verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das andere und sagte so beiläufig wie möglich: »Eigentlich wollte ich zu Petra.«
Ralph erwiderte matt: »Sie sind nicht hier.«
Charlotte spürte leichte Panik. Wo waren sie dann? Waren sie bei ihm ?
»Oh.«
»Sie sind im Schrebergarten«, sagte Ralph.
Er mochte offensichtlich Petras Namen nicht aussprechen, dachte Charlotte. »Kannst du mir zeigen, wo das ist?«
Ralph hob einen Arm und zeigte vage nach rechts. »Da lang und nach der Schule rechts, dann links in den kleinen Fußweg rein.«
»Hat Petra ihr Handy dabei?«
Ralph sah sie plötzlich direkt an und entgegnete brüsk: »Ich hab keine Ahnung.«
»Entschuldige«, bat Charlotte. »Es tut mir leid. Das alles tut mir sehr leid«, und noch bevor die Worte richtig raus waren, sagte Ralph heftig: »Mir auch«, und schlug ihr die Tür vor der Nase zu.
Petra und Kit knieten nebeneinander auf dem Boden und untersuchten etwas in der Erde. Sie wandten dem Tor den Rücken zu. Ihnen gegenüber war Barney in seinem Buggy angeschnallt, in jeder Faust eine Möhre. Er begann aufgeregt zu zappeln, als er Charlotte sah, und gestikulierte heftig mit den Möhren.
»Gah!«, machte Barney laut.
Petra hob den Kopf. »Was ist denn, Barn …«
»Gah!«, machte Barney wieder. Er spähte über den Kopf seiner Mutter hinweg zu Charlotte, die mit der Hand auf dem Riegel am Tor stand. Petra drehte sich um.
»Oh«, entfuhr es Petra, und sie rappelte sich hoch.
Charlotte öffnete das Tor.
»Überraschung!«, sagte sie. Sie beugte sich ein wenig vor, um Petra zu küssen, doch die trat einen Schritt zurück.
»Ich hab dich nicht erwartet«, sagte Petra.
»Ich weiß. Ich habe mit Absicht nichts gesagt. Ich dachte, wenn du es weißt, würdest du mich nicht sehen wollen.«
Kit richtete sich auf, eine Schnecke in der Hand.
»Sie ist wieder reingegangen«, erklärte er Charlotte. »Sie hat rausgeguckt, und dann ist sie wieder rein.«
»Ja.«
»Sie mag keinen Lärm«, sagte Kit ernst.
Charlotte hockte sich neben ihn.
»Ich versuche, ganz leise zu sein.«
Kit nickte. Petra trat neben Barneys Buggy. Sie sagte mit ausdrucksloser Stimme: »Ich weiß, wo Ralphs Brüder heute sind.«
Charlotte hob den Blick von Kits Schnecke.
»Woher weißt du das?«
»Rachel hat angerufen«, antwortete Petra, immer noch ohne jede Regung. Sie bückte sich, um Barney loszuschnallen, und hob ihn auf den Arm. »Sie wollte, dass wir auch kommen. Weil die anderen da sind. Aber wir konnten nicht
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