Schwimmen in der Nacht

und von Gebüsch und zotteligen Bäumen geschützten Weiher ausdehnte, und dort hatte Mutter nach einer Kurve völlig die Orientierung verloren. Ich schüttelte den Kopf. Fühlte Wut, konnte es nicht begreifen.
    Â«Ich kapier das nicht.»
    Â«Alles wird gut, ganz bestimmt, es wird gut. Ein verrückter Unfall. Verdammte Arthritis. Die Tabletten. Deine Brüder und du, ihr verbringt den Tag mit eurer Tante, bis wir alles geklärt haben. Zieh dich an und komm nach unten.»
    Er schloss die Tür.
    Das Wort «Unfall» führte dazu, dass er sich auf eigenartige Weise anders verhielt. Er hatte ein Zittern in der Stimme. Ich war an sein Schreien gewöhnt. Aber als ich jetzt hörte, wie er den Flur entlang eilte, an Roberts Tür klopfte und flüsternd das Wort «Unfall» wiederholte, wünschte ich, er würde wieder in einen lauten Modus umschalten.
    Ich lag rücklings auf meinem Bett und starrte die Decke an, als Roberts Antwort über den Gang zu mir drang, die langgezogene quenglige Frage eines Zwölfjährigen: «Waaaarum?»
    Vater sagte etwas, das man nicht verstehen konnte.
    Â«Ich will nicht. Neeeeein.»
    Mein Bruder klang, als hätte er Angst, und diese Angst machte ihn aufmüpfig.
    Â«Steh auf.»
    Vater stapfte hoch unters Dach, und ich hörte Peters und Elliots Stimmen, dann Vater, der mit schweren Schritten wieder nach unten in den ersten Stock kam und auf dem Flurabsatz stehen blieb.
    Â«Sarah, jetzt gleich, bitte.»
    Ich stand auf und zog mich an. Meine drei Brüder trudelten nacheinander unten ein und setzten sich auf die Küchenstühle. Dora, die schweigend Cornflakes in Schüsseln füllte und am Waschbecken Gemüse säuberte, stand stramm und schaute streng. Als wir noch aßen, kam Tante Annette in einem knielangen, braunen Kleid mit weißen Punkten herein. Für ihre Körperfülle, die breiten Schultern und den vollen Busen wirkten ihre Waden überraschend schlank. Ihre schwarzen Lederpumps klackerten auf dem Küchenboden. Sie roch frisch geduscht und gepudert.
    Â«Hallo, meine Lieben», sagte sie und beugte sich zu Elliot hinunter, um ihm einen Kuss zu geben. Sie näherte sich Robert, der zusammenfuhr und einen Schritt zurück machte. Also griff sie nach Elliots Hand und beteuerte ihm, dass es unserer Mutter bald wieder gut gehen würde. Elliot kuschelte sich an ihren Oberschenkel.
    Â«Was hat sie denn?», fragte Elliot.
    Â«Sie hat sich die Nase verletzt. In einer Woche ist sie wieder zu Hause, kein Grund also, niedergeschlagen zu sein», sagte meine Tante.
    Â«Wie ist das mit ihrer Nase passiert?»
    Â«Bei dem Unfall.»
    Â«Aber wie genau?»
    Elliot blieb hartnäckig – das war der Teil von ihm, der alle Krankheiten behandeln, Tiere gesund machenund Menschen heilen musste, so als wäre sein ganzes Wesen in Habachtstellung und die Haare auf seiner Haut Miniaturfühler, die vorsichtig erkundeten, was eventuell Schlimmes passieren konnte.
    Â«So viele Fragen, mein Liebling. Im Moment kann ich dir das alles auch nicht beantworten, aber wenn ich die Antworten weiß, sage ich sie dir, was hältst du davon?»
    Â«Und wann ist das?»
    Â«Später, Elliot. Aber jetzt denken wir mal an den Zoo.»
    Vater kam rasiert und gekämmt herein, sein Haar angeklatscht.
    Â«Ich gehe jetzt. Okay?» Er wandte sich an Tante Annette. «Seid ihr startklar?»
    Â«Ich möchte mit dir mitkommen», sagte Peter. Er sprach mit einer neuen Souveränität, einer neuen Art innerer Sicherheit.
    Vater machte einen Schritt zurück und stieß gegen den Herd.
    Â«Heute nicht, Peter. Das meine ich ernst. Bitte.» Er klang verzweifelt.
    Peter setzte an, etwas zu sagen, überlegte es sich dann aber anders. Stattdessen rutschte er mit seinem schlaksigen Körper vom Stuhl und ging aus dem Zimmer.
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    Â«Unfall» wurde zum Schlüsselwort, ein einfaches Wort, das durch Unachtsamkeit und vermeidbaren Hohn Pockennarben bekommen hatte. Das Wort machte michaggressiv. Wütend setzte ich mich auf den Rücksitz in Tante Annettes Auto. Sie drückte auf den Master-Knopf am Armaturenbrett. Wie einschlagende Geschosse schnappten sämtliche Türschlösser mit einem Klicken gleichzeitig zu, was meine Laune nicht gerade hob.
    Â«Sind alle startklar?» Sie schaute in den Rückspiegel, dann legte sie den Rückwärtsgang ein.
    Â«Haben wir eine Wahl?», fragte