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Schwimmen in der Nacht

Schwimmen in der Nacht

Titel: Schwimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Keener
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holen wir uns Eis bei Mr Softie.»
    ~~~~~~~~~~~
    Abends telefonierte ich mit Mutter.
    Â«Kümmerst du dich für mich um den Haushalt?», fragte sie.
    Â«Das macht Dora.»
    Â«Tust du mir einen Gefallen? Die Rosen müssen gedüngt werden. Im dritten Fach des Metallregals in der Garage findest du eine große Gießkanne mit einem Rosenbild drauf. Nimm einen Esslöffel von dem weißen Pulver und rühre es in eine Gallone Wasser, das gießt du dann auf die Wurzeln. Sie müssen richtig gut gewässert werden.»
    Ich hörte ihr zu. Sie klang schwach.
    Â«Machst du das, Liebes? Das wäre mir eine große Hilfe.»
    Â«Wir wollten heute zu Besuch ins Krankenhaus kommen.»
    Â«Ich weiß. Dein Vater hat es mir erzählt. Hol Elliot ans Telefon. Er muss sich heute fürchterlich erschrocken haben.»
    Ich ging in die Garage, um die Mischung vorzubereiten. Das Pulver roch ekelhaft nach altem Dung. Ich schüttete die gewünschte Menge in die Gießkanne, trug sie raus in den Garten und goss die Erde unter den Rosensträuchern. Danach ging ich ins Schlafzimmer meiner Eltern und öffnete Mutters Kosmetikschränkchen. Indem Fach drängten sich Parfumflaschen aus Glas wie Miniaturmännchen, die einem Geheimnisse zuflüsterten. Eines der Fläschchen sah aus wie eine Blumenvase. Eine andere stammte aus Paris. Ich betupfte mir die Arme mit beißend süßlichem Parfum, legte die Wange auf die Ablage und atmete die verschiedenen Düfte ein. Oben bei Peter lief eine Joni-Mitchell-Scheibe, die in Endlosschleife den Song «The Circle Game» spielte.
We can’t return we can only look behind –
Mitchells lieblicher Sopran kreiste an der Schlafzimmerdecke meiner Eltern wie ein Vogel, der von weit draußen auf dem Meer zu mir rief.
    Ich wühlte mich durch die Kleiderbügel in Mutters Schrank, berührte ein Kleid nach dem anderen, auch ihr blaues Taftkleid, das neben dem roten Mohairanzug hing. Auf dem Boden entdeckte ich die dazu passenden, rot gefärbten Seidenschuhe. Das gelbe Kleid, das sie auf der Party getragen hatte, fehlte. In Gedanken sah ich es zusammengeknautscht in einer Tüte, nass und dreckig vom schlammigen Wasser. Ich kniete mich in den Kleiderschrank und schloss die Tür, die Hände steckte ich in Mutters spitz zulaufende Schuhe. Ich spürte den blauen Taft über mein Gesicht rascheln. Vor allem geschützt, rollte ich mich zusammen und lauschte der Musik, die von oben kam. Als ich in der Dunkelheit die Augen schloss, sah ich Mutter vor dem über die ganze Schranktür reichenden Spiegel stehen, wie sie sich von der Seite betrachtete, höchst kritisch, unzufrieden; ein paar Schritte nach hinten machte, sich ihrem Bild dann wieder näherte, wie ein Feuerwehrmann im Kampf gegen hartnäckige Flammen.
    Was brannte da?
    Ich hörte die Stimme meiner Tante, zwischendurch die Stimme meines Vaters, dann fiel die Haustür ins Schloss. Ich beeilte mich, aus dem Kleiderschrank rauszukommen und huschte in mein Zimmer.
    Vater kam zu jedem von uns ins Zimmer.
    Â«Es geht ihr gut. Sie hat Schrammen und Schwellungen, aber sie erholt sich wieder.»
    Er stand in der Tür zu meinem Zimmer und redete mit meinem Bettvorleger, schaute mich nicht an. «Ich bin jetzt sehr müde. Wir können dankbar sein, dass alles soweit in Ordnung ist.»
    Ich hätte mir gewünscht, dass er noch mehr erzählte, mir erklärte, warum sie so war, aber ich konnte sehen, dass er mir etwas verschwieg, nicht reden wollte. Ich hörte, als er sich später am Abend wie ein Einsiedlerkrebs auf der Suche nach einer leeren Muschel auf dem Meeresboden durch die unteren Zimmer kämpfte. Seine Schritte waren schwerer als sonst, er lief hin und her, als würde er das Hab und Gut seines Lebens auf dem Rücken tragen, dabei auf ihre Rückkehr warten und nicht genau wissen, wohin mit sich ohne sie.
    ~~~~~~~~~~~
    Am nächsten Morgen wurde ich früh munter und ging nach unten. Vater lag schlafend auf dem Sofa, zu seinen Füßen eine leere Wodkaflasche.
    Â«Dad», flüsterte ich. «Steh auf.»
    Er öffnete die Augen, blinzelte, sein Gehirn kam in Gang. Langsam richtete er sich auf.
    Â«Bin eingeschlafen», sagte er ganz benommen, bevorer aufstand und zur Treppe hinüber humpelte. Als er in Richtung Schlafzimmer verschwunden war, setzte ich mich in die noch warme Vertiefung und zog mir den Morgenrock um die Beine. Ich

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