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Schwimmen in der Nacht

Schwimmen in der Nacht

Titel: Schwimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Keener
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Peter.
    Â«Nein», sagte ich.
    Das Auto roch nach dem Parfum meiner Tante und strahlte eine Gleichmütigkeit aus, die vortäuschte, dem Wagen, meiner Tante und uns könne nichts auf der Welt etwas anhaben, aber ich ließ mir da nichts vormachen. Ich war schließlich die Reife, oder etwa nicht? Hatte Mutter das nicht gesagt?
Sarah, du bist sehr weit für dein Alter, viel reifer als andere Gleichaltrige.
In dem von Kratzern verschonten schwarzen Cadillac mit aprikosenfarbenen Ledersitzen und in den Türen eingelassenen Aschenbechern fuhren wir den Hügel hinunter, vorbei an Hecken, die der Sommer hatte vertrocknen lassen.
    Unterwegs auf dem Highway starrte Peter durch die Frontscheibe nach draußen, sein langer, blonder Zopf war das Einzige, was ich von ihm sah. Neben mir saß Elliot, der mit zwei seiner Plastiktierchen spielte – einem Pferd und einem Schaf. Er sprach im Flüsterton mit sich selbst und schlug die Köpfe des Schafs und des Pferdes aufeinander, führte die Tierchen auf seinem Oberschenkel spazieren oder ließ sie von der Kniekante hinab in die Tiefe stürzen. Robert las sein Buch über Zeitreisen; den Kopf in einen unsichtbaren Schraubstock geklemmt, blätterte er fast peitschend die Seiten um, was mir zeigte,wie sehr er sich gegen unsere gemeinsame Bestürzung wehrte. Keiner bemühte sich, ein Gespräch in Gang zu bringen.
    Im Zoo angekommen, marschierten wir durch das Drehkreuz und gingen als Erstes in Richtung Vogelanlage. Trotz Sonnenschein war nicht viel los, vielleicht der Hitze wegen. Auf einmal fanden wir uns allein im Sumpfgebietbereich wieder, einem dunklen, schwach beleuchteten Raum, der nach altem Regenwasser und Vogelkot roch. Im Wasserbecken pickte eine Stockente an einem Styroporbecher, der im Schilf trieb. Robert blieb stehen, um einen Schwarm Goldfische anzusehen. Einer der Fische stoppte hinter der Glasscheibe. Mit leerem Blick glotzte er uns durch die trübe Flüssigkeit hindurch an.
    Â«Warum war ihr Auto im See?», fragte Elliot plötzlich. Mitten in dieser Feuchtigkeit war seine Stimme zu hören, er sprach ganz deutlich.
    Peter, der gerade noch die Schlangenterrarien inspiziert hatte, stellte sich neben Robert.
    Â«Das Auto ist über die Böschung gerast. Die Räder müssen seitlich weggerutscht sein. Wäre meine Vermutung.»
    Â«Es war ein Unfall, mein Kleiner», sagte Tante Annette. «Vielleicht hat sie ein anderes Auto geblendet.»
    Wieder dieses Wort. Je mehr ich über ihr nächtliches Fahren nachdachte, mit verschwommenem Blick und völlig neben sich stehend, umso wütender wurde ich. Der sogenannte Unfall. Warum wurde nicht einfach gesagt, dass meine Mutter verrückt war, beherrscht von etwas, das ich weder sehen noch greifen konnte. Mutterhatte sich verantwortungslos verhalten. Wir alle wussten das.
    Elliot griff nach der Hand meiner Tante.
    Â«Kommt, wir gehen zu den Affen, einverstanden?», fragte sie.
    ~~~~~~~~~~~
    Wir gingen raus aus dem Vogelhaus und folgten einem aufgerissenen Asphaltweg zur Affenanlage, ein weiteres dunkles, heruntergekommenes Gebäude. Mit den künstlichen Felsblöcken, den Strohballen und ein paar dürren Bäumchen sah das Gorillahaus wie ein verlassenes Hollywood-Filmset aus. Durch Kuppeln fiel mattes Licht herein. Weit oben saß ein Gorilla auf einem Felsenhochsitz und sah uns gleichgültig an. Er hob einen Gummireifen auf, den er in unsere Richtung warf. Elliot ging in die Hocke und presste seine Hände gegen die Glasscheibe.
    Â«Er will spielen.»
    Â«Wahrscheinlich ist ihm langweilig», sagte ich.
    Der junge Gorilla kam zu der Stelle gelaufen, wo Elliot auf dem Steinboden kniete. Die beiden starrten sich an. Elliot winkte ihm und lächelte ihn an. Der Gorilla sprang auf und ab, schrie und rannte die Felsblöcke hinauf, dann wieder hinunter, dann warf er sich gegen das Plexiglas, um uns zu erschrecken.
    Â«Kommt ein Stück zurück», sagte Tante Annette.
    Â«Er will doch nur spielen!» Elliot, der davon begeistert war, hüpfte wild herum.
    Â«Gorillas sind hochintelligent», sagte Robert.
    Der Gorilla rannte weg und kam wieder zurück, tänzelte dann einmal im Kreis.
    Peter sagte: «Ja, und genau das ist der Grund, warum sie nicht da drinnen eingesperrt sein sollten.»
    Ich wollte raus aus dem stickigen Gebäude. Ich dachte über die Stunden nach, die der Gorilla in diesem Käfig verbrachte, und war

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