Schwimmen in der Nacht
freudigen VerheiÃung.
Ich rieb meine Schenkel aneinander, um Mutter auf meiner Haut zu spüren, und erinnerte mich daran, wie stolz sie von Mrs Jansons Tochter Justine gesprochen hatte. Ich wusste nicht, ob ich Mutters Ansprüchen genügt hatte. Was ich gesungen hatte, war nun mal keine Oper gewesen. Die Pause kam, und als dann auch die zweite Hälfte irgendwann vorbei war, nahm Vater meineHand, hielt sie fest gedrückt und lieà mich nicht mehr los. Ich war an diesem Abend sein ganzer Stolz, genau wie Peter, der Dylans «The Times They Are A-Changinâ» gesungen hatte. Nach diesem Abend kannte uns die ganze Schule. Ich war nicht mehr unsichtbar.
Sogar Schüler, die ich nur vom Sehen kannte, kamen auf mich zu und gratulierten mir. «Du hast echt Talent. Ich wusste nicht, dass du singst. Du klingst wie ein Profi. Wann kann man dich wieder hören? In welcher Klassenstufe bist du?»
Als ich in dieser Nacht im Bett lag, stieÃen Erleichterung und freudiger Rausch in mir auf eine andere Schicht, die ich immer in mir spürte. Ich war allein in der Dunkelheit, und die Musik, die mich angefüllt und für eine Weile die Risse und Löcher gestopft hatte, rann wie Wasser nach einer Sturzflut wieder aus mir heraus. Und wieder blieb ich mit dieser Dunkelheit zurück.
Ich lag wach und lauschte dem Heizkörper, in dem es mit einem kryptischen Ping, Peng gegen das Metall klopfte. Das Haus klapperte wie ein zerbrochenes Spielzeug. Im Erdgeschoss schlurfte Vater von seinem Arbeitszimmer aus über den Flur zum Bad, um sich die Zähne zu putzen. Er war stolz auf uns gewesen. Für diese kurze Zeit war auch er über sich hinausgewachsen und hatte gestrahlt. Aber dass Mutter fehlte, dämpfte auch das wieder.
Ich drehte mich auf die andere Seite, aber es half überhaupt nicht, meinen Körper in eine andere Lage zu bringen. Ich drehte mich wieder um. Mutters Tod wurde zu meiner lebenslänglichen Freiheitsstrafe, einer anderen Form von Gefangenschaft, und mir wurde klar, dassElliot wahrscheinlich recht hatte mit dem, was er über Geister gesagt hatte. Dieser hier war in mich eingedrungen, auf der Suche nach öffentlicher Anerkennung, nach Erlösung durch Musik und aus einem rastlosen, wiederkehrenden Verlangen nach Trost und Befreiung.
15. Kapitel
Stonehill
Peter hatte vor, den Sommer über bei unserem Cousin Kenneth zu verbringen, aber er hatte Vater nichts davon gesagt, und mir erzählte er es erst an dem Abend, bevor er aufbrach. Das war genau das, wovon er geträumt hatte: wegzukommen. Weit, weit weg. Kenneth wohnte in Los Angeles.
Als ich in Peters Zimmer auf dem Boden saÃ, den Rücken an die Wand gelehnt, sah ich meinem Bruder dabei zu, wie er eine zweite Jeans und ein Flanellhemd zusammenrollte und beides in seinen Rucksack stopfte; die Waschtasche und das Notizbuch, in das er seine Lieder schrieb, legte er obenauf. Die Magie so einer Reise durch das ganze Land erzeugte eine brennende Sehnsucht in mir. Ich wollte mitkommen. Sein Bus fuhr um Mitternacht Richtung Westen, vorbei an Städten, die in der Dunkelheit glitzerten.
«Kein Wort, bis ich morgen anrufe.»
Ich nickte und lief ihm ins Untergeschoss nach. Es hätte ein ganz normaler Freitagabend werden können, Peter unterwegs mit seinen Freunden, die Gitarre über die Schulter gehängt. Er lief die Einfahrt hinunter bis ans Ende der StraÃe, wo ein Freund auf ihn wartete, der ihn zum Busbahnhof fuhr. Bei Sonnenaufgang wäre er schon auf dem Weg zu etwas Besserem als dem Leben hier.
Am nächsten Morgen wachte ich in strahlendem Sonnenschein auf, war gekränkt und fror. Warum hatte Peter mich nicht früher in seine Pläne eingeweiht? Mein Zimmer kam mir verlassen und klein vor, man schien die Luft kaum atmen zu können. Aber mein Bruder hielt sein Versprechen.
Am späten Nachmittag wurde Vater von Peters Anruf aus Ohio aus seiner Stumpfheit gerissen.
«Du erklärst mir jetzt gefälligst, was hier los ist», schrie Vater ins Telefon.
Auf eine gewisse, fast perverse Weise war ich froh zu hören, dass Vater seine Stimme erhob, dass er wieder herumbrüllte, als würde er sich daran erinnern, wer er eigentlich war und wer wir waren. Er lief mit dem ans Ohr gepressten Hörer in der Küche auf und ab und lauschte Peter, der ihn von einer Tankstelle in eintausendsechshundert Kilometer Entfernung aus anrief.
«Herrgott noch mal! Wie ist die Telefonnummer
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