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Schwimmen in der Nacht

Schwimmen in der Nacht

Titel: Schwimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Keener
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von Kenneth? Ich sollte ihn verhaften lassen. Weiß deine Tante davon? Wann hast du das hier ausgeheckt? Du rufst sofort an, wenn du angekommen bist.» Vater nickte mechanisch, und seine Blicke irrten im Zimmer umher wie Fliegen, die nicht herausfanden. Peters Antwort wartete er gar nicht mehr ab. Er legte auf. Dann fegte er die Tageszeitungen von der Ablage. Die Seiten flogen mir genau vor die Füße.
    Â«Hast du davon gewusst?»
    Ich schüttelte den Kopf.
    Während ich von all den widerstreitenden Gefühlen halb gelähmt noch im Türrahmen stand, musterte Vater mich und beschloss dann, dass ich zur Sommerakademiezu gehen hatte. Er wollte nicht, dass ich mich davonstahl wie Peter.
    Â«Du wirst nicht den ganzen Sommer in diesem Haus herumhängen, junge Dame. Und dir lauter Probleme einhandeln.»
    Peter war schon achtzehn, aber Vater glaubte, ich sei mit meinen sechzehn noch unter Kontrolle zu behalten.
    Am Ende der Woche war ich als Tagesschülerin an der strengen Stonehill Schule in Concord, Massachusetts, eingeschrieben. Vater bestand darauf, dass ich den ganzen Sommer über Kurse belegte. Er hätte mich gern als Internatsschülerin angemeldet, aber dafür reichte das Geld nicht. Die Firma von Onkel Max musste dichtmachen, was bedeutete, dass Mutters Erbe nicht mehr existierte.
    Sophie war in einem Tanz-Sommerlager in den Berkshires, und Margaret arbeitete bei einem Friseur. Darum war ich sogar ganz froh. Die Aussicht, den ganzen Sommer über nichts zu tun zu haben, hatte mich gequält, wirkte wie eine zusätzliche Strafe dafür, meine Mutter verloren zu haben, das Familienunternehmen, einfach alles. Mit den Zusatzpunkten durch die Sommerkurse könnte ich meinen Abschluss früher machen. Ich konzentrierte mich darauf.
    In meiner ersten Woche in Stonehill holte mich ein Mädchen namens Betsy James in ihrem dunkelblauen Thunderbird-Cabrio von zu Hause ab – der Wagen gehörte ihrer Mutter und sie raste mit einhundertzwanzig Stundenkilometern den Highway entlang.
    Â«Man fährt sechsundzwanzig Minuten Highway», sagte sie. «Zwölf Minuten Landstraße. Bist du nur fürden Sommer eingeschrieben? Ich bin das ganze Jahr da draußen.»
    Â«Ja.»
    Ich hielt mich am Türgriff fest, verlor meine Angst aber bald. Sie fuhr gut und sicher. Kaum war sie vom Highway runter, drosselte sie die Geschwindigkeit und fuhr an alten Bauernhöfen vorbei und über bewaldete Hügel, bis wir holpernd eine Schotterstraße nahmen und unter Buchsbäumen und Ahornbäumen entlang zur Schuleinfahrt gelangten. Betsy war im Abschlussjahrgang. Sie hatte einen Job als Assistentin des Fotografielehrers.
    Â«Er ist schon ein alter Mann. Er macht gern Fotos von mir. Ich meine, das sind künstlerische Fotos.»
    Abgesehen von den Einzelheiten über das Auto ihrer Mutter, das 132.000 Kilometer runterhatte, für das sie neue Felgen ausgesucht hatte und das sie so gerne fuhr, kam ich nicht an sie heran. Sie redete, als wäre die Polizei ihren Worten auf der Spur; ihre Satzenden bogen entweder scharf ab oder bremsten ganz plötzlich. Während sie auf der Überholspur blieb, zog sie immer wieder ihre Lippen nach. Bis auf den Tick mit ihrem Kopf – sie schüttelte ständig ihre dicken, langen Haare, als müsste sie sich vergewissern, dass sie noch da waren –, und ihr angestrengtes Lächeln und bemühtes Gerede war sie seltsamerweise hübsch. Sie trug Sandalen und Miniröcke, an denen sie ständig zupfte und zog, während sie mit ihren lackierten Füßen aufs Gaspedal drückte. Ihre rasierten Beine glänzten von der Sonnenmilch und tauchten den Fahrersitz in Kokosnussduft. Sie kaute Wintergreen-Kaugummi.
    Auf dem Weg zur Schule erzählte sie mir, dass derGroßteil der Schüler aus der Gegend um New York kam und viele von ihnen «abgefuckt» waren, ein Ausdruck, den ich nicht von ihr erwartete hatte. Sie warnte mich davor, dass Drogen zum Campusalltag gehörten.
    Â«Du wirst sehen, wie die Kids im Wald verschwinden. Schau dir genau ihre Augen an. Rot? Glasig? Genau. Die rauchen Marihuana.»
    Sie drehte am Radioknopf und stellte einen Oldiesender ein. «It’s My Party» von Leslie Gore dröhnte aus dem Lautsprecher.
    Â«Ich nehm keine Drogen», sagte sie dann. «Und du?» Ihr Blick verriet mir, dass sie nicht damit einverstanden wäre und ich meine Mitfahrgelegenheit verspielte, wenn es so

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