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Schwimmen mit Elefanten - Roman

Schwimmen mit Elefanten - Roman

Titel: Schwimmen mit Elefanten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlagsbuchhandlung Liebeskind GmbH & Co. KG
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Lippen des Jungen und versuchte, ein Lachen zu unterdrücken.
    So wurde der Junge also vom Klub am Grunde des Meeres engagiert, wo er fortan als »Kleiner Aljechin« auftrat.
    Seinem Namen entsprechend befand sich der Verein eine Etage unter dem Pazifik-Schachklub, also im zweiten Untergeschoss des Hotels. Wenn man den Zigarrenschrank auf der Westseite des Raums, in dem die Aufnahmeprüfungen abgehalten wurden, beiseiteschob, kam eine Tür zum Vorschein, durch die man in das untere Stockwerk gelangte. Es gab kein Messingschild mit dem Namen des Klubs und auch keine Klingel. Nur die Tür aus Walnussholz mit einem dunklen, verrosteten Schlüsselloch.
    Man musste also im Besitz des Schlüssels sein. Freien Zugang hatten allein der Generalsekretär, die Tochter des Vorsitzenden sowie ein paar einflussreiche Personen aus dem Vorstand. Selbst Mitglieder konnten nur im Beisein des Generalsekretärs ins Untergeschoss gelangen.
    Der Junge hingegen musste den Hintereingang des Hotels benutzen. Dann nahm er die Wendeltreppe im Heizungsraum, womit gewährleistet war, dass er nie einer anderen Person begegnete. Man hatte ihn auch nie darüber in Kenntnis gesetzt, ob seine Gegner ausschließlich aus dem Pazifik-Klub stammten, ob sie einander kannten oder ob sie eine besondere Erlaubnis brauchten. Er hatte auch keine Ahnung, wie viele Personen zugangsberechtigt waren und was sie hierfür zahlen mussten.
    Ursprünglich hatte in diesem Untergeschoss der Hotelpool gelegen. Das Becken in der Mitte des Raums gab es immer noch, aber natürlich ohne Wasser. Der Putz bröckelte von den Wänden, die Wasserrohre hatten Risse, etliche Fliesen fehlten. Das Becken war zwar hellblau getüncht, aber die Farbe war schon sehr verblichen und voll mit unheimlichen Fleckenmustern. Die Decke war für einen Raum im zweiten Untergeschoss unerwartet hoch, sodass es laut hallte, wenn nur eine Schachfigur zu Boden fiel. Verglichen mit dem vornehmen Pazifik-Klub eine Etage höher war die Atmosphäre hier unten am Grunde des Meeres nüchtern, fast unterkühlt. Hier gab es keine flauschigen Teppiche oder von der Schachunion verliehene Urkunden an den Wänden. Lediglich das Quadrat mit den vierundsechzig schwarz-weiß bemalten Feldern am Boden des Beckens deutete darauf hin, dass man sich in einem Schachverein aufhielt.
    Der Klub am Grunde des Meeres war nur in Betrieb, wenn der Klub darüber geschlossen hatte. Ohne Ausnahme. Dienstags den ganzen Tag über und die übrigen Tage jeweils von Mitternacht bis zum Morgengrauen. So lief das auf dem Wasser dahingleitende Segelboot nie Gefahr, den Kurs des unter Wasser schwebenden U-Boots zu kreuzen.
    Die hufeisenförmig um das Becken herum angeordneten ehemaligen Umkleidekabinen dienten heute natürlich anderen Zwecken. Wenn man die Wasserhähne in den Duschen aufdrehte, ertönte kein Rauschen, und die Registrierkasse am Kiosk war leer.
    Dem Jungen wurde die ehemalige Damendusche zugewiesen, wo man den Schachautomaten installiert hatte. Er kam nie dahinter, was für eine Art von Schach in den anderen Räumen gespielt wurde. Vermutlich Simultanschach, Blitzschach,
Fischer Random Chess
, analytisches Schach oder dergleichen, aber er bekam nie Gelegenheit, sich zu vergewissern. Vom Generalsekretär hatte er strikte Anweisung erhalten, den Automaten unter keinen Umständen zu verlassen. So blieb er für seine Gegner unsichtbar, die sich der Illusion hingaben, tatsächlich gegen eine Puppe zu spielen.
    Ein Zugeständnis, das der Junge dem Generalsekretär abgerungen hatte, war die Verwendung des Schachtischs, den er aus dem Bus gerettet hatte, und der Figuren des Meisters. Für ihn wäre es undenkbar gewesen, dass die Puppe an einem anderen Tisch sitzen würde. Das abgenutzte Brett mit den leicht beschädigten Figuren bildete zwar einen auffälligen Kontrast zu der kunstvollen Mechanik der Puppe, aber da der Junge darauf beharrte, willigte der Generalsekretär schließlich ein.
    Zunächst musste der Schachtisch zu einer beweglichen Kiste umfunktioniert werden: Die Beine wurden mit Ahornholz verkleidet, und es wurde ein Boden eingelegt, der auf der Unterseite Rollen hatte. Die dem Publikum zugewandte Front besaß eine Tür, die man, wenn sie nicht verriegelt war, öffnen und schließen konnte. All diese Arbeiten erledigte der Großvater des Jungen. Auch das war eine seiner Bedingungen gewesen. Wie gewöhnlich hatte der alte Mann meisterhaft gearbeitet. Die Bretter aus Ahornholz fügten sich harmonisch in den Tisch ein, als

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