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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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oder?«
    »Nein«, gab ich zu.
    »Hatte er sich was gebrochen? Hat er vor Schmerzen gestöhnt? Haben sie ihm seine Klamotten, sein Geld, sein Handy weggenommen?«
    »Mit einem Handy war irgendwas!«
    Julian biss sich auf die Lippe und drehte den Kopf weg. »Evchen«, sagte er beherrscht. »Ich will nur wissen, ob du wirklich
     meinst, dass wir uns da unbedingt einmischen müssen. Wenn ich laufen könnte, würde ich einfach selbst in den Wald gehen und
     nachsehen. Aber ich kann nicht laufen, das weißt du. Und ich lasse dich bestimmt nicht noch mal allein gehen. Ich ärgere mich
     sowieso wahnsinnig, dass ich dir nicht von hier aus ein Taxi zum Bahnhof geschickt habe.«
    »Ärger dich nicht«, sagte ich matt, »mir ist ja nichts passiert. Ich hab mich nur erschrocken.«
    Julian schwieg.
    Ich nippte an der Teetasse. Die warme Flüssigkeit inmeinem Mund gab mir das Gefühl von Normalität zurück. Hier saß ich, lebte und trank Tee. Mir fielen die Entspannungstechniken
     ein, die ich beim Fuchs gelernt hatte, und ich konnte sie anwenden, konzentrierte mich auf meinen Körper und kehrte mit kleinen,
     bedächtigen Schlucken zwischen immer ruhiger werdenden Atemzügen zu meiner Mitte zurück. Jetzt hieß es, eine Entscheidung
     zu fällen.
    »Frag dein Inneres«, würde der Fuchs sagen und sich eine Hand auf den Bauch legen. »Horch in dich hinein. Wie fühlst du dich
     in diesem Moment? Und was würdest du spontan machen, wenn du allein wärst?« Obwohl mir das an sich albern vorkam, hielt ich
     mich jetzt an seinen Rat und schloss die Augen.
    »Ach komm, Eva«, sagte Julian ungeduldig, »sitz da nicht rum wie mein Opa, wenn er was nicht hören will und uns Herzschmerzen
     vorgaukelt. Lass uns endlich reingehen. Vergessen wir das Ganze. Es war bestimmt nicht schlimm.«
    »Doch, es war schlimm!« Die Worte brachen aus mir heraus wie eine Explosion.
    »Aber es geht dich nichts an!« Julian wurde ebenfalls laut und stieß gegen den Tisch, sodass die Tasse hinunterflog und auf
     den Fliesen zersprang.
    In dem Moment sah ich den Mann.
    Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt und stand halb verborgen hinter einem Sichtschutz aus einer langen Reihe Kübelpflanzen
     auf der Nachbarterrasse. Obwohl ich den Ausdruck in seinem Gesicht nicht erkennen konnte, weil es im Schatten lag, hatte ich
     sofort das Gefühl, dass er unser Gespräch verfolgt hatte.
    »Wir werden belauscht, Julian«, flüsterte ich erschrocken und griff nach den Scherben der Tasse.
    Julian bückte sich ebenfalls, sammelte die Scherben aber nicht auf, sondern löste sie aus meinen Fingern und zischte so ernst,
     dass ich nicht zu widersprechen wagte: »Lass das liegen, das machen wir morgen. Wir gehen jetzt sofort rein. Das hätten wir
     schon längst tun sollen. Los, und kein Wort mehr von der Prügelei!« Er nahm meine Hand und zog mich, trotz des verletzten
     Fußes durchaus flink, ins Haus.
    Der Mann blieb draußen stehen, ohne etwas zu sagen.
    »Wer war das?«, fragte ich, kaum dass wir drinnen waren.
    »Unser Vermieter«, sagte Julian knapp.
    »Warum guckt der denn so böse?«
    »Weil er blöd ist!« Julian fauchte, löschte das Außenlicht, besann sich dann, dass man uns im hellen Innenraum dann ja noch
     besser sehen konnte, und schaltete es wütend wieder an. Da war der Mann gegangen.
    »Na also, funktioniert doch. Soll er sich eben bei meinem Vater beschweren! Ich wüsste nicht, was er mir vorwerfen kann! Ich
     habe hier friedlich gesessen und nicht mal Musik gemacht.«
    »Er hat uns die ganze Zeit belauscht. Vielleicht ruft er jetzt die Polizei und zeigt uns an, wegen unterlassener Hilfeleistung?«
    »Er weiß doch gar nicht, um wen es geht!«, schrie Julian.
    »Das wissen wir ja auch nicht!«
    »Nein, natürlich nicht.« Julians Gesicht lief dunkelrot an. Zornig drehte er sich um und lief in die Küche.Dort – ich folgte ihm – schenkte er sich ein Glas Wein ein, lehnte sich gegen den Backofen, in dem die Pizza wartete, starrte
     vor sich hin und presste seine Faust so fest um das Glas, als wolle er es zerbrechen.
    »Es tut mir leid, dass das alles passiert ist«, flüsterte ich, erneut den Tränen nahe. »Ich will bestimmt keinen Streit mit
     dir. Ich hab mich so auf unser Wochenende gefreut.«
    Julian stieß ein Schnauben aus, besann sich aber, stellte das Weinglas ab und streckte mir die Arme entgegen. »Ich hab mich
     doch auch gefreut«, sagte er.
    Ich kuschelte mich an ihn. In dem Moment hörte man draußen einen Wagen anspringen. Wir

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