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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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blickten zum Fenster, das auf die Gasse
     zwischen Wohn- und Wirtschaftsgebäude hinausging. Aus dem Teil, der früher wahrscheinlich das Mahlhaus gewesen war, setzte
     ein Jeep mit eingeschalteten Scheinwerfern zurück. Draußen stieg der Fahrer, es war der Vermieter, noch einmal aus, ging zur
     Hauswand, nahm etwas Längliches, das an ihr lehnte, und hängte es sich um. Bevor er losfuhr, warf er einen Blick in unsere
     Küche. Dann brauste er davon.
    »Guck an, der Bernd geht doch wieder Rehe abknallen. Mann, das muss echt Befriedigung geben, wenn man sonst so gefrustet ist!«
    Ich verstand nicht gleich, was Julian meinte, brauchte aber nicht nachzufragen, denn er erklärte bereitwillig: »Bernd Vollmer,
     ihm gehört die Mühle. Er wohnt nebenan.« Julian machte eine Kopfbewegung nach hinten. »Hat seit Jahren keine Frau. Macht nach
     außen neuerdings einen auf Naturfreund und guten Kumpel undbehauptet, er würde nicht mehr jagen. Aber wahrscheinlich hat er lauter geheime sadistische Hobbys.«
    »Was?«
    »Ach, vergiss es, er ist einfach ein unangenehmer Typ«, wiegelte Julian ab, »besserwisserisch und neugierig, kontrolliert
     immer, ob du ja nicht irgendwo das Licht angelassen hast, bevor du abreist, oder mit der Maschine Wege langbretterst, die
     du nicht befahren darfst. Absolut ätzend, sag ich dir.«
    »Warum habt ihr dann überhaupt eine Ferienwohnung bei ihm gemietet?«
    »Meine Eltern verstehen sich ja mit ihm«, antwortete Julian leichthin, ließ mich los, wandte sich wieder dem Wein zu und schenkte
     mir auch ein Glas ein. »Jetzt lass uns aber nicht mehr über blöde Nachbarn reden«, sagte er und forderte mich mit einer Kopfbewegung
     auf, das zweite Glas zu nehmen und mit ihm anzustoßen. »Vergessen wir Vollmer! Trinken wir lieber auf unser Wochenende!«
    Ich wagte nicht, meinem Freund zu sagen, dass ich so gut wie nie Alkohol trank und lieber darauf verzichtet hätte, denn ich
     sollte, obwohl ich längst nicht mehr regelmäßig Tabletten nahm, Alkoholgenuss meiden.
    Der erste Schluck aber zeigte zum Glück keine erschreckende Wirkung. Der Geschmack nach reifen Brombeeren und Schokolade hinterließ
     lediglich ein pelziges Gefühl auf meiner Zunge und eine kurze Wärme in meiner Kehle.
    »Ein australischer Syrah.« Julian schwenkte das Glas und fachsimpelte. »Papa kriegt wieder hohen Blutdruck, wenn er erfährt,
     dass wir Banausen ihm den wegsüppeln.Aber zu meiner ersten selbst gebackenen Pizza musste es was Besonderes sein.«
    »Ja, aber was machen wir denn jetzt, Julian?«, fragte ich mit einem ungeduldigen Blick auf die Küchenuhr, die 20.51   Uhr zeigte. »Wenn dieser Mann sich nun an unserer Stelle um den Jungen kümmert und es nachher heißt, wir hätten es versäumt   …«
    »Eva! Wie oft denn noch: Bernd geht jagen! Der hat auch bestimmt nichts gehört, der kann noch gar nicht lange auf der Terrasse
     gestanden haben. Das wäre mir aufgefallen. Glaub’s mir!«
    »Vielleicht sollten wir trotzdem etwas unternehmen, nur um auf Nummer sicher zu gehen.« Ich merkte selbst, dass meine Stimme
     quengelig klang. Eigentlich wollte ich das vermeiden, aber in meinem Kopf überschlugen sich mittlerweile die Gedanken: Was,
     wenn der Junge doch ernsthaft verletzt war? Wenn dieser Bernd Vollmer ihn nun rein zufällig fand und dann die Verbindung zwischen
     ihm und dem aufgeregten Mädchen zog? Oder was, wenn Bernd Vollmer ihn nicht fand, weil er ganz woanders jagte – wenn also
     niemand ihn fand und der Arme da draußen fast erfror? Wenn der Junge vielleicht gerade jetzt noch hoffte, dass das fremde
     Mädchen, das ihm Hilfe versprochen hatte, endlich zurückkäme! Wenn stattdessen die Täter oder einer von ihnen, der Gewalttätigste,
     Hasserfüllteste, zurückkäme!
    »Oh Mann, ich dachte, das hätten wir geklärt und abgehakt.«
    »Nein, hatten wir nicht, wir sind nur unterbrochen worden und jetzt ist schon so viel Zeit vergangen und   …«
    »Eben«, sagte Julian bestimmt, »wenn wir hätten eingreifen wollen, hätten wir’s sofort tun müssen. Aber du warst dir ja auch
     nicht sicher, ob’s wirklich nötig ist. Weil der Verletzte nämlich gesagt hat, es sei nicht nötig, und weil es
höchstwahrscheinlich
nur eine Klopperei war, wie sie unter Jungs nach jedem besseren Fußballspiel vorkommt. Wenn es ein Autounfall gewesen wäre
     oder ein Zusammenstoß von besoffenen Hooligans, dann hätte ich selbstverständlich keine Minute gezögert und mein Handy gezückt.«
    Ich merkte, dass ich

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