Schwindelfreie Luegen
sehen.
»Wunderschön«, murmelt Jean mir ins Ohr, und ich bin mir nicht sicher, ob er den Diamantring meint, denn seine Blicke verschlingen mich bereits , seit wir die Ausstellungsräume betreten haben.
Okay, ich gebe zu, ich habe mir Mühe gegeben, meine besten Seiten optisch in Szene zu setzen. Am späten Nachmittag hatte ich mich endlich dazu durchgerungen, noch ein weiteres Abendkleid zu kaufen, denn ich wollte nicht das Gleiche anziehen, welches ich bereits in der Oper getragen hatte. In einer kleinen Boutique, die nicht nur Edeldesigner führt, entdeckte ich ein schulterfreies Abendkleid in einem Dunkelviolett, das ab der Taille in weiten Bahnen fällt und beim Gehen lässig um die Füße schwingt. Dazu hat es an einer Seite einen langen Schlitz, sodass nun ab und an meine schlanken Beine sichtbar werden. Es ist sexy und ich fühle mich wundervoll damit. Mein langes Haar trage ich zu einem schlichten Zopf gebunden.
Jean zieht los, um uns ein Glas Champagner zu besorgen, aber ich spüre immer wieder seine Blicke auf meinem Körper. Auch er sieht heute Abend wieder zum Anbeißen aus. Er trägt einen dunkelbauen Anzug aus einem Stoff, der ein wenig glänzt, dazu ein hellblaues Hemd, aber keine Krawatte. Die ersten beiden Knöpfe seines Hemdes stehen offen. Das gibt den Blick frei auf seine gebräunte Haut, was ihm ein kühnes Aussehen verleiht. Er trägt wieder seine silbernen Manschettenknöpfe, die im Licht des Raumes edel funkeln.
»Ja, dieser Ring ist wahrhaftig einzigartig «, gehe ich auf sein Schwärmen ein und beziehe es auf das Schmuckstück, das ich gerade betrachte. »Ich würde töten, um ihn einmal an meinem Finger tragen zu dürfen«, sage ich und nehme das Glas in Empfang, das er mir reicht.
»Jean! Что ты здесь делаешь?« Eine Stimme mit tiefe m russischem Akzent lässt uns auseinanderfahren.
»Was soll ich schon hier machen? Arbeiten natürlich!« , erwidert Jean ebenfalls auf Russisch und vor Schreck beginnt meine Hand zu zittern. Mein Großvater mütterlicherseits war Russe und hat mir schon als Kind seine Sprache nähergebracht, daher verstehe ich einfache Sätze immer noch. Doch mich erschreckt nicht, was er gesagt hat, sondern vielmehr, wie er es gesagt hat. Jeans Russisch ist tadellos, ohne Akzent, man könnte meinen, es wäre seine Muttersprache. Seine Tonlage kommt mir erschreckend bekannt vor. Es ist wie ein Déjà-vu. Ich meine, in der Stimme den charmanten Dieb zu erkennen, der mich im Juweliergeschäft überfallen hat und mich Nacht für Nacht mit seiner zärtlichen Stimme heimsuchte, doch ich muss mich irren. Mein Verdacht kann nur das Trugbild meiner verwirrten Fantasie sein. Auch wenn Jean ein akzentfreies Russisch spricht, macht ihn das noch nicht zu einem Kriminellen. Ich bin offensichtlich erholungsbedürftiger, als ich geahnt habe.
»Alexej, wir sollten nicht unhöflich sein, meine Begleitung spricht kein Russisch«, erklärt Jean. »Sylvie, darf ich dir Alexej Kowaljow vorstellen? Er ist russischer Diamantenhändler.«
»Alexej, das ist Sylvie Komarow.«
Alexej deutet eine kleine Verbeugung an. »Madame, wie ich höre eine Land smännin?«
»Nur dem Namen nach, Monsieur Kowaljow. Wie passend , hier auf einen Schmied zu treffen«, sage ich und spiele auf die Übersetzung seines Nachnamens an.
Alexej lächelt und wirft Jean einen vielsagenden Blick zu. »Du bist zu beneiden, lieber Jean. Leider muss ich mich schon verabschieden, da ich einen wichtigen Kunden treffen soll.« Er verbeugt sich leicht. Sein durchdringender Blick liegt dabei einen Augenblick zu lange auf Jean, als dass ich meinen könnte, dies wäre nur Zufall. Nein, er wollte Jean damit etwas sagen. Nur was?
Ich kann nicht behaupten, dass ich über Alexejs raschen Abgang unglücklich bin. Auf unerklärliche Art und Weise ist mir dieser Kowaljow, mit seinen nach hinten gegelten blonden Haaren, unsympathisch.
Ich beobachte, wie er langsam auf jemanden zu schlendert. Als ich dessen Gesicht erblicke, bleibt mir die Luft zum Atmen weg.
Alexej spricht den Mann an und deutet eine kleine Verbeugung an. Schleimiger Wiesel!
Der Angesprochene schüttelt Alexej die Hand und plötzlich treffen sich unsere Blicke. Ich sehe an seiner Reaktion, dass er mich erkannt hat. Sein Blick gleitet immer wieder zu mir herüber. Als Alexej sich kurz darauf verabschiedet, gibt mir der Mann ein Zeichen und ich weiß, was er von mir will.
Ich ignoriere ihn jedoch und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Jean.
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