Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
mit der blutenden Hütte befassen.
Das war doch ein hübsch überschaubares Rätsel und zudem noch pittoresk. Eine Blutshütte. Was würde Sutton in einer solchen Situation tun?
Vielleicht würde der Amerikaner einfach einen Schluck Enzian nehmen und dann einen Seitenausgang öffnen.
Ausgang. Ian versuchte, eine Tür zu visualisieren, zerrte mit seinen Händen am Nichts, als könnte er so seinen Wunsch in Erfüllung gehen lassen.
Nichts geschah außer der Tatsache, dass der Versuch ihn weiter anstrengte.
„Na gut!“, murmelte er und betrachtete erneut die Hütte. „Also dann, einmal Hütte und zurück.“
Von weit her hörte er plötzlich einen panischen Schrei und das Geräusch schlagender Flügel. Schon einen Augenblick später war beides verschwunden, als hätte es nicht stattgefunden. Hatte er es sich nur eingebildet?
Doch nicht alles entspross nur seiner Vorstellungskraft. Es wäre sicher falsch, einen Schrei nicht auch als Warnung zu akzeptieren.
Oder als Ablenkung.
Oder als Falle.
Kalte Schauer rannen ihm über den Rücken. Es war so gar kein netter Schrei gewesen. Nur, welche Schreie waren schon nett? Wut und Frustration hatten noch in der Luft geschwungen, lange nachdem der Schrei ebenso plötzlich verklungen war, als hätte ihn die Totenstarre dieses Ortes abgeschnitten.
Wer immer so geschrien hatte – Ian fühlte sich nicht danach, demjenigen zu Hilfe zu eilen.
„Hütte“, war alles, was er sagte, und er begann, den Hügel hinunterzusteigen. Die Steine waren glatt und rutschig. Sie waren auch weiß und sehr scharfkantig. Er beugte sich hinunter und berührte sie. Stein, kalt und still. Wenn Versteinerung etwas war, was Steinen widerfahren konnte, so waren diese hier vollständig versteinert.
Was auch sonst. Es waren ja Steine.
Oder vielleicht doch nur ein Stein? Ein großer, langer Fels, der sich wie ein Rückgrat aus dem blutigen Boden erhob?
Er wehrte diesen Gedanken ab und stieg vorsichtig weiter hinunter. Einen Pfad gab es nicht, und er hatte nicht vor, sich die Beine zu brechen, während er in irgendeinem Bodenloch hängen blieb.
Die Hütte schien ganz nah zu sein, und doch kam er ihr nicht näher. Die Welt drehte ihn immer wieder in die falsche Richtung. Das hatte sie schon beim ersten Mal getan. Er hatte es damals so wenig gemocht wie jetzt.
Als er keinen Fortschritt feststellen konnte, zog er das Pendel aus seiner Tasche und ließ es von seiner Hand baumeln. Das Salz hing reglos. Kein vertrautes Schwingen erfasste es. Es zeigte nur lotrecht zum Boden.
Nach einer Weile erzitterte es.
Dann begann es sich zu heben, vertikal in die Höhe zu steigen und berührte seine Handfläche. Ian drehte seine Hand. Das Salz stieg höher und deutete schließlich senkrecht nach oben, hin zu dem grauen, leblosen Himmel, als gäbe es so etwas wie Schwerkraft gar nicht.
„Sehr geehrter Herr Newton. Das würden Sie jetzt nicht mögen“, murmelte Ian und suchte das einförmig graue Firmament ab. Doch da gab es nichts zu sehen. „An Ihren Äpfeln kann es nicht gelegen haben. Ich denke, es liegt auch nicht an meinem Salz. Also ist es dieser Ort. Hier ist etwas sehr verkehrt herum.“
Er trat fest mit den Füßen auf den Boden, um sicherzugehen, dass er nicht auch plötzlich die Richtung ändern und davonfliegen würde. Doch das schien sich zumindest im Moment nicht anzudeuten.
Gefährlich wurde es von einer anderen Seite her.
Als Ian wieder den Blick senkte, sah er, wie ein Wolf durch die jetzt offene Hüttentür gesprungen kam – direkt auf ihn zu. Es war ein überdimensioniertes Ungeheuer, sicher mindestens zweimal so groß , wie ein normaler Wolf sein sollte. Blut troff von seiner Schnauze. Er knurrte und heulte. Silberblaue Augen richteten sich auf Ian.
Du meine Güte, war der schnell!
Kapitel 41
D er Vater des kleinen Mädchens konnte nicht sagen, wohin seine Tochter und die zwei Männer verschwunden waren.
„Da ist nur ihre verdammte Patin dran schuld“, schimpfte er.
Der Meister des Arkanen versuchte alle seine Künste, um dem Mann mehr Informationen zu entlocken. Aber der einfache Holzfäller wusste kaum etwas, und sein Dialekt half auch nicht eben. Dass das Mädchen nicht brav war und wild überall herumlief, wo es nicht sein sollte, das verstand Sutton. Und dass es etwas mit dieser Tante auf sich hatte, die sich aber bei näherer Befragung als verstorben herausstellte. Die Vehemenz, mit der sich Bonadeas Vater mehrmals hintereinander bekreuzigte, deutete immerhin darauf
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