Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
und willig – freiwillig. Liebe ist Leben.“
Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und betrachtete sie, wie man eine neue Erfindung begutachten mochte, voller Verwunderung und Hoffnung, dass sie ihre Aufgabe erfüllen mochte, und doch nicht vollends davon überzeugt.
„Du bist schön“, sagte er sachlich und hielt sie in der gleichen Entfernung von sich fort. „Und so … lebendig.“
Ganz plötzlich lehnte er sich nach vorn, und seine Lippen berührten ihre. Er war warm in einer kalten Welt. Mit fast der gleichen klinischen Distanziertheit, die auch er an den Tag legte, stellte sie fest, dass ihr das herzlich unangenehm sein sollte. Doch das war es nicht. Seltsame Gefühle krochen ihr durch den Körper; keines davon war schicklich. Begierde rührte sich in ihr wie ein Überfall plötzlicher Irrationalität. Was für eine seltsame Wirkung er auf sie hatte! War sie wirklich begierig auf Begierde? Was sollte sie schon begehren? Und warum fühlte es sich so an, als kenne sie diesen Mann längst?
Sie stemmte ihre Hände gegen seine Schultern und sammelte ihr letztes Quäntchen Vernunft. Er zog sich etwas zurück.
„Verweigerst du dich mir?“, fragte er. „Du hast … die Wahl. Willst du mir nicht das Geschenk deiner Liebe machen – um Clarissas willen?“
„Ist das ein Versuch, mich zu erpressen?“
„Nein. Doch auch wenn ich dich nicht erpressen will, werden die Folgen die gleichen sein. Öffne dich mir, Penthesilea. Für mich, f ür dich und für das Mädchen. Sie behauptet immer, du liebtest sie.“
„Das tue ich.“ Sie würde auch alles tun, um sie zu retten. Alles, was nötig war.
„Dann gib mir doch etwas von dieser Liebe ab. Ich brauche sie so notwendig.“ War das ein Befehl oder ein Flehen? Oder ein Hilferuf von jemandem, dessen einer Kuss etwas in ihr ausgelöst hatte, ein Kitzeln in der Magengrube und den gleichzeitigen Wunsch, ihn so lange zu treten, bis er etwas menschlicher wurde. Oder vielleicht einfach nur etwas emotionaler?
Er hatte etwas so ungeheuer Unmenschliches an sich, dass es fast unpersönlich war. Doch hinter seiner Glasfassade konnte sie eine Spur von Verzweiflung ausmachen. Das brachte sie einander näher, denn sie konnte die Emotion nachvollziehen.
Sie betrachtete eingehend sein eigentümliches Gesicht, begriff nichts. Er war ganz blass. Vielleicht brauchte er wirklich mehr Leben? Sonst hatte sie ohnehin nichts zu geben.
Alles an ihm war seltsam und fremd, selbst seine Wirkung, die sie immer noch in sich fühlte und gern einfach abgestellt hätte. Sie blickte an ihm vorbei. Diese Welt war kalt, und sie wollte ihr nicht zum Opfer fallen. Sie wollte nicht hilflos sein, nicht Beute eines allzu feingesponnenen Schicksals voller Fallstricke. Doch es gab keinen Ort, an den sie hätte fliehen können.
Immerhin hatte sie die Ernsthaftigkeit des Mannes zumindest teilweise begriffen. Er meinte es ernst. Vielleicht war das ja besser als nichts.
Im Moment berührte er sie nicht, beobachtete sie nur wie ein Raubvogel, wartete auf das, was kommen mochte. Mit einem Mal wusste sie nicht mehr, ob sie in dieser Situation unsicherer war oder er.
„Dies hier ist nicht die Bezahlung für Hilfe“, sagte sie, als sie beschlossen hatte, dass – wenn schon – bitte sie diejenige sein wollte, die die anstehenden Entscheidungen traf. „Dies ist auch nicht das Eingehen auf eine Erpressung. Dies hier ist, was immer es sein muss. Aber Liebe ist keine Ware. Liebe ist unverkäuflich. Ich würde sie nie feilbieten.“
Er sah sie verwirrt an, versuchte zu verstehen, was sie ausdrücken wollte.
Sie kniete sich neben ihn, konzentrierte sich darauf, etwas richtig zu machen, wovon sie nichts wusste. Sie atmete tief ein, raffte ihre Röcke und kniete sich rittlings über seinen Unterkörper. Ihr Herz raste wie ein Spatz in einem Rabenschwarm.
Doch es konnte nicht so schwierig sein, sonst wäre die menschliche Rasse längst ausgestorben. Jeder Idiot konnte es tun. Wenn jeder Idiot es tun konnte, konnte sie das auch.
Schließlich war es auch genau das, was sie wollte.
Da war er nun, unter ihr, bewegte sich. Seine seltsam seidige Kleidung öffnete sich und gab den Blick frei auf einen schmalgliedrigen, blassen und haarlosen Körper. Etwas rührte sich unter ihr, berührte sie an Stellen, die nie jemand berührt hatte.
Panik stieg in ihr auf, direkt von jenen Körperteilen bis in ihr überfordertes Gemüt. Begierde mischte sich mit der Panik, war darum nicht weniger beängstigend, aber immerhin
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