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Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Werkstätten, die das Hauptgebäude zu beiden Seiten der Auffahrt flankierten.
    „Ungewöhnliche Architektur. Wirkt fast wie ein befestigtes Anwesen.“
    „Nun, er ist reich. Reichtum und Verworfenheit gehen oft Hand in Hand.“
    Marcus sagte zu alldem nichts. Er hatte wieder kaum geschlafen. Sie waren über Nacht bei einem Dorfpfarrer eingekehrt – oder vielleicht besser: eingefallen. Der Mann war voller Ehrfurcht ob des plötzlichen Auftauchens von Glaubensbrüdern aus Rom gewesen, die sich auf heiliger Mission befanden. Er wirkte zwar nicht so, als ob er alle Ziele seiner Gäste grundsätzlich teilte, doch er sagte auch nichts dagegen. Ein wenig zitterte er, als er das Abendgebet verrichtete. Bei der Frühmesse zitterte er immer noch.
    Er hatte ihnen die Richtung zu der Besitzung seines reichsten Gemeindemitgliedes gewiesen und sehr eifrig immer wieder betont, dass der Mann einen ausgezeichneten Leumund sowohl als Angehöriger der Oberschicht als auch als Christ hatte. Herr von Rosberg ging regelmäßig zur Kirche. Es konnte doch nicht gut sein, dass mit Herrn von Rosberg etwas nicht stimmte?
    Pater Bonifatius hatte nichts weiter dazu gesagt. Dorfpfarrer waren nicht die Art von Glaubensbrüdern, die er für würdig empfand, tiefergehende Informationen über die Aufgaben und Taktiken der Bruderschaft zu erhalten.
    Marcus hatte nach und nach verstanden, dass entgegen dem Glauben, in dem man ihn erzogen hatte, nicht jeder aufrechte Katholik den Eifer der Fraternitas Lucis teilte, wenn es darum ging, zu beurteilen, was ein Recht auf Leben hatte und was nicht.
    Die Milde, die sich einige unerleuchtete Christen in diesem Punkt erlaubten, konnte man keineswegs gutheißen. Freilich wäre es auch zu weit hergeholt, diese allzu toleranten Menschen als sündhaft böse zu bezeichnen. Sie wussten es nicht besser. Oder sie ließen sich von falscher Barmherzigkeit leiten, die sie vielleicht für christlich hielten.
    Marcus hatte man sehr genau beigebracht, was christlich war und was nicht. Er hatte da wenig Zweifel. Ab und zu wurde ihm bewusst, dass er gar keine Zweifel haben sollte.
    Aber er wusste, dass Zweifel den Rechtschaffenen als Prüfung gesandt wurde. Daraus schloss er immerhin, dass er bewiesenermaßen rechtschaffen war.
    Er verbannte den Gedanken ganz schnell, denn es gehörte sich nicht, so etwas zu denken. Mit Sicherheit waren jene, die nie zweifelten – wie Pater Bonifatius oder Bruder Anselm – rechtschaffener als er. Sie wussten immer, was von der Welt zu halten war. Sie hatten Kenntnis – wo Marcus raten musste.
    Leider riet er manchmal auch falsch. Das war kein fehlender Eifer, wenngleich Pater Bonifatius es auch so auslegte. Marcus war nie etwas anderes gewesen als eifrig. So, wie er aufgewachsen war, wäre etwas anderes als perfekte Rechtschaffenheit gar nicht durchführbar gewesen.
    Trotzdem machte er Fehler. Es war ein großer Fehler gewesen, auf die Jagd auf Werwölfe nicht mit allen Mitteln vorbereitet zu sein. Es war ja nicht so, dass er etwa mit dem Wiederauftauchen des Wesens nicht gerechnet hätte. Und doch hatte er keine Silberkugeln geladen. Da jedoch Silberkugeln zum Prozedere im Umgang mit Werwölfen dazugehörten, war sein Fehler nicht klein zu nennen.
    Die Nacht hatte er kniend vor dem Altar der kleinen, bitterkalten Dorfkirche verbracht. Das hatte ihm viel Zeit gegeben, über sein Versagen nachzudenken. Nach einiger Zeit hatte er zu husten angefangen, und dieser Husten war ihm geblieben.
    Zweimal war er umgefallen. Das hatte niemand gesehen. Man musste nicht auf ihn aufpassen, während er Buße tat, denn jeder erneute Fehler w ü rde wieder gebeichtet und wieder bestraft. Also hatte Pater Bonifatius gemütlich im Bett des Dorfpfarrers geschlafen, und Bruder Anselm und besagter Pfarrer hatten es auch nicht ganz schlecht am Ofen in den Sesseln gehabt.
    Ein winziger Kern von Rebellion erwachte in Bruder Marcus, der ihm einflüsterte: „Sag es einfach nicht. Du hast getan, was du konntest. Dir ist vergeben.“
    Es war keine Stimme, vielmehr ein Gefühl in seiner eigenen Seele. Es machte ihm Angst, denn es belegte, dass Pater Bonifatius letztlich recht hatte und Marcus einen Hauch des Bösen in sich trug. Möglich war freilich auch, dass Pater Bonifatius sich irrte. In diesem Fall würde die Welt nicht mehr begreifbar sein. So zu denken war sündig.
    Immerhin, sie hatten ihn am Morgen nicht schlafend vorgefunden, sondern auf den Knien vor dem Altar, genauso, wie sie ihn des Abends verlassen

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