Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
irgendwo dazwischen angesiedelt. Sie hatten etwas mit dem Rabenmann zu tun. Nur was?
Vielleicht war es ja das, was er herausfinden sollte – wie alles zusammenpasste? Gab es einen Grund für all das? Löste eine Anomalie die nächste aus? Wenn ja, wo war der Ankerpunkt für all das?
Drei Federn. Er hatte um Wissen ersucht und drei Rabenfedern erhalten. Dies entbehrte jedes logischen Zusammenhangs und fühlte sich sehr Fey an.
Er setzte sich an einen Baum und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Stamm. Dann besah er sich die Federn. Sie sagten ihm gar nichts.
Ian war kein Ornithologe. Seine Kenntnisse Federvieh betreffend gingen nicht wesentlich über Brathühnchen hinaus. Freilich gab es bei der Ausbildung in der Loge auch das Fach Zoologie – unter dem besonderen Aspekt mythologischer Tiere. Doch das Blöde an Mythos war, dass er eben nur Mythos war. Und das Blöde an Ian war, dass er noch nicht einmal sein erstes Jahr an der Loge abgeschlossen hatte, und wenn es irgendetwas Besonderes über Raben zu lernen gab, so hatte er es noch nicht gelernt.
Sein Magen knurrte und erinnerte ihn daran, dass er recht bald eine Lösung finden musste, denn sein Hunger behinderte sein Denken. Er war ein junger Mann; da brauchte man nun mal regelmäßig Nahrung. Er hätte den verdammten Vogelkerl fragen sollen, wo es hier etwas zu essen gab. Tatsächlich gab es eine ganze Liste von Fragen, die er ihm hätte stellen sollen und an die er nicht gedacht hatte.
Das Leben war unfair, und Akolyth des Arkanen zu sein, half kein bisschen weiter. Wenn er so darüber nachdachte, war das, was er getan hatte, vermutlich schon so etwas wie die aus der Not geborene Ausübung von Magie gewesen. Doch er konnte auch im Nachhinein nicht analysieren, was genau er getan hatte und vor allem, wie.
Wieder konzentrierte er sich auf die Federn. Sie schienen seltsam lebendig in seinen Händen, fast mehr als er ertragen konnte. Er stopfte zwei in seine Tasche und konzentrierte sich auf nur eine.
Das ging leichter.
Eine Feder. Sie strahlte eine Nichtzugehörigkeit aus. Nun, sie gehörte ja auch nicht Ian. Und Ian gehörte nicht hierher.
So ging das nicht. Ian versuchte es noch einmal anders. Wer war das Wesen, dem die Feder gehörte? Er befreite seine Gedanken von allen vorgefertigten Meinungen und dachte nur in eine Richtung: „Feder, wem gehörst du an?“
Die Welt verschob sich so nachhaltig, dass Ian fast im Sitzen umgeworfen worden wäre. Er sah sich besorgt um. Jede Änderung der drögen Leblosigkeit dieser Welt bedeutete eine neue Gefahr. Jedenfalls war es keine gute Idee, nur auf Federn zu starren, während hungrige Wölfe und untote Haudegen direkt hinter einem lauern mochten.
Er warf sich herum, war sich mit einem Mal sicher, dass er direkt in das Auge eines Feindes blicken würde, doch ausnahmsweise griff ihn gerade mal niemand an.
Schon im nächsten Augenblick – mochte es anders werden.
Plötzlich hatte Ian Angst, dass es seine eigene Furcht vor dem Schlimmsten war, die das Schlimmste immer wieder auslöste.
„Feder“, dachte er verzweifelt. Eine Feder war vermutlich nicht so gefährlich. Zumindest konnte er sich keine direkte Gefahr vorstellen, die aus einer Feder erwachsen sollte. Doch was er sich nicht vorstellen konnte, war deshalb noch lange nicht unmöglich.
Sein Herz schlug ungestüm, und er versuchte, sich an das zu erinnern, was er an der Loge gelernt hatte. All diese Übungen. Atmung, um die Wirklichkeit zu definieren. Denken, das einen Plan in dieser Wirklichkeit erstehen lassen würde. Voraussicht dessen, was Teil dieser Wirklichkeit sein mochte.
Seine Gedanken kreiselten. Die Feder vibrierte.
Er hatte Hunger.
Tatsächlich hatte er auf einmal ganz schrecklichen Hunger, spürte ihn intensiver als noch vor einem einzigen Augenblick. Hungrig wie ein Wolf schien mehr als nur ein müder Vergleich zu sein. Wieder blickte er sich um, ob irgendwo ein ebenso hungriges Monster auf ihn wartete, doch da war nichts.
Dann roch er einen Duft, nur einen Augenblick lang. Es roch nach Weibchen, ganz nah und sehr erreichbar. Essbar.
Er verlor fast seine Fassung, als ihm bewusst wurde, was er da gedacht hatte. Er hatte bezüglich Frauen schon einige wirre Gefühle gehabt, aber solche noch nie. Wo war dieser widerliche Gedanke nur hergekommen?
Nicht von ihm. Es war nicht seine Reaktion gewesen. Ü berhaupt war sie jetzt fort, ließ ihn mit nichts zurück als dem Schock des fremden Sinneseindrucks. „Wol f “, dachte er. Er
Weitere Kostenlose Bücher