Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
hatte gefühlt wie ein Wolf.
Er betrachtete misstrauisch die Feder. Er hatte sie für einen Teil der Lösung gehalten, doch vielleicht war sie ja Teil des Problems?
Ian sammelte seine Gedanken mit frischem Mut. Nun denn. Er hatte die Nähe einer Frau gespürt. Das an sich mochte ja noch nicht schlimm sein. Natürlich hätte er es lieber, wenn Frauen andere Gefühle in ihm wecken würden als ausgerechnet Hunger. Er wollte sie nicht als Beute sehen. Er war ja nicht einmal ein Schürzenjäger. Doch die eine Liebesbeziehung, die er gekannt hatte, hatte ihm durchaus aufgezeigt, dass man beides sein konnte, Beute und Liebhaber zugleich. Wenn man einen Vampir liebte, so verwischten die Unterschiede in diesen Bereichen schnell.
Irgendwo war eine Frau. Und irgendwo war ein hungriges Monster, das ihr nahe genug war, um ihre Haut zu riechen.
Erst jetzt erkannte er den Geruch. Es war die Gouvernante, die mit Clarissa davongezogen war. Irgendwo jenseits der Feder – und gänzlich Ians Zugriff entzogen – war Fräulein Vanholst dabei, gleich von einem Wolf gefressen zu werden.
„Verdammt!“, schrie Ian in die bittere Welt. Der Schrei verebbte ohne Hall. Niemand hörte ihn.
Das war vermutlich gut so, wenn man die vorhandenen Möglichkeiten bedachte.
Er stellte fest, dass ihm die Feder entglitten war.
Kapitel 57
D as Knurren wurde lauter . Konstanze zitterte. Einfach wegzukriechen war nicht möglich. Nicht, wenn man halb auf dem Rücken lag. Mr. Suttons Hand hatte sich ganz schnell fortbewegt, als das riesige Tier sich auf einmal umgedreht hatte und unglaublich behände und kraftvoll auf die Füße gesprungen war.
Nun stand es da, angespannt zum Sprung.
„Oh“, sagte der Magier. Er wirkte besorgt. Doch er hatte immerhin eine Waffe, und sein Hals befand sich nicht direkt unter dem zahnigen Maul des Tieres.
Sie wimmerte kurz auf, rührte sich jedoch nicht.
Das Knurren wurde wütender. Das Tier wirkte hungrig. Das konnte Konstanze beinahe verstehen. Sie hatte auch Hunger. Allerdings würde sie wohl eher zur Mahlzeit werden als eine bekommen.
„Bitte!“, flüsterte sie und war sich nicht sicher, wen sie gerade ansprach. Eine übergroße Tatze setzte sich auf ihre Schulter. Einen Augenblick lang schloss sie die Augen vor Entsetzen, nur um sie gleich wieder aufzureißen. Sie musste sehen, was geschah. Es raten zu müssen wäre noch viel furchtbarer.
„Das Tier macht deutlich einen Anspruch auf Sie geltend“, meinte Mr. Sutton nachdenklich.
Der Anspruch eines wilden Tieres auf sein Opfer konnte nur eines bedeuten.
„Es ist wirklich sehr besitzergreifend“, fuhr er leise fort. „Ich hatte gehofft, ich könnte es auf Spuren arkanen Einflusses untersuchen. Doch ich werde es wohl einfach nur erschießen müssen. Wir wollen hoffen, dass Kugeln dazu ausreichen.“ Er klang nicht allzu sicher.
„Die Bruderschaft hatte Silberkugeln“, flüsterte Konstanze fast stimmlos.
„Da wette ich drauf“, knurrte der Mann.
Warum schoss er nicht? Worauf wartete er? Oder fürchtete er, dass die falsche Munition die Situation nur verschlimmern statt verbessern würde? Was würde passieren, wenn man das Tier verletzte, aber nicht tötete?
„Die Wölfe, die mir bekannt sind, sind normalerweise halb so groß und legen sich nicht neben Menschen schlafen“, fuhr Sutton fort. „Dieser hier hat etwas sehr Eigentümliches an sich.“
Allerdings. Zum Beispiel Zähne, die sehr viel größer waren, als sie sein sollten. Ihr Hals würde wie ein Zweig zerbrechen, wenn er zubiss. Würde es sehr schmerzen? Würde er sie zerfleischen? Spielten Wölfe mit ihrem Futter wie Katzen mit ihrer Beute?
Sie zwang sich, der Kreatur in die Augen zu sehen. Das silbrige Stahlblau war so völlig falsch. Sollten Wölfe nicht eigentlich gelbe Augen haben?
Die Tatze rutschte nun mit einem deutlichen Besitzanspruch auf ihre Brust. Das Tier schien sich sehr sicher, dass sie ihm bereits gehörte.
„Schieß endlich“, dachte sie. „Schieß!“
Eine lange Weile geschah nichts. Ihre Gedanken gingen mit ihr durch. Sie stellte sich den Schuss vor, hörte schon fast, wie er durch die Wildnis hallte. Würde das Tier gleich tot sein? Oder würde es noch Zeit haben, sie umzubringen, bevor es selbst starb?
„Nicht schießen“, dachte sie nun. „Nur nicht schießen!“
Im Gesicht des Magiers spiegelte sich, dass auch er hin- und hergerissen war. Wie konnte das sein? Was war seine Macht wert, wenn sie ihm nicht half zu begreifen, was vor sich ging?
Sie
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