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Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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wusste. Wenn er eine Henkersmaske hätte tragen dürfen, so hätte er es getan. Er wollte nicht, dass jemand ihn kannte, der dann vielleicht auf der Folterbank endete. Und die Haushälterin mochte schließlich eine Höllenkreatur sein. Immerhin arbeitete sie für den halbtierischen Hexenmeister.
    Er würde sie foltern müssen, wenn Pater Bonifatius sie verdächtig fand.
    Der Gedanke ging Marcus gegen den Strich. Sie war mindestens sechzig. Ihr Haar war grau und zu Zöpfen geflochten, die auf ihrem Kopf zur Krone hochgesteckt waren. Marcus’ Mutter mochte so aussehen. Nicht dass er sie je gekannt hätte. Er war Waise, und die Bruderschaft hatte sich gnädig seiner angenommen und ihn ausgebildet.
    Diese Frau hier hatte genau das richtige Alter für eine Hexe. Freilich gab es Hexen jeden Alters und auch beiderlei Geschlechts.
    „Hier, bitte“, sagte sie und reichte ihm einen Topf mit Deckel drauf. „Was genau suchen Sie eigentlich?“, fragte sie dann und sah dabei sorgfältig an ihm vorbei.
    „Danke schön“, antwortete er und ignorierte ihre Frage. Neugier war immer ein schlechtes Zeichen. Wenn sie eine wirklich gute Christin wäre, würde sie die heilige Invasion doch ohne weitere Fragen gutheißen, nicht wahr? Er sollte es Pater Bonifatius melden.
    Doch der Priester unterbrach ihn gleich, als er reinkam.
    „Das hat aber lange gedauert!“, bemerkte er misstrauisch und blickte an Marcus vorbei in den Korridor. Von etwas weiter weg hörte man die helle Stimme eines Mädchens. „Haben Sie den jungen Frauen nachgestellt?“
    „Nein, Hochwürden, das habe ich nicht.“
    Die blassblauen Augen fixierten ihn, und Marcus versuchte, ihrem strafenden Blick nicht auszuweichen.
    „Nun, worauf warten Sie? Fangen Sie schon an!“
    Irgendwie war er mit allem, was er tat, immer zu spät dran. Oder konnte es sein, dass Pater Bonifatius immer zu früh dran war?
    Er machte sich sorgsam an die Arbeit. Die Bibliothek war winzig im Vergleich zu den Bibliotheken, die Marcus in den großen Klöstern gesehen hatte. Doch selbst für einen großen Gutshof war sie eher ungewöhnlich. Marcus liebte Bücher, wusste jedoch auch um ihre Gefährlichkeit. All die vielen Worte waren darin auf engstem Raum zusammengepresst und warteten geradezu darauf, hervorzubrechen und etwas zu verändern. Man musste sich davor in Acht nehmen. Veränderung deutete immer an, dass vorher etwas falsch gewesen war.
    „Du lieber Himmel, wie lange brauchen Sie denn noch?“
    Geduld war eine Kardinaltugend. Doch Ungeduld war eine Bonifatiustugend.
    Er trat zurück und nickte, als ob das irgendetwas erklären würde. Bruder Anselm trat vor, und einen Augenblick später schwang eine Tür auf.
    Das kleine Kabäuschen hinter der Tür roch modrig. Es hatte kein eigenes Fenster, nur einen Kerzenleuchter und einen kleinen, hölzernen Tisch . Spinnweben umwucherten alles. Drei große, in Leder gebundene Folianten waren auf einem Regalbrett aufeinandergestapelt. Ein weiteres Buch lag auf dem Tisch, Tinte und Feder – beides längst ausgetrocknet – lagen nutzlos daneben.
    „Interessant“, sagte Bruder Anselm. „Hier scheint schon jahrelang keiner mehr gewesen zu sein.“
    „Antrum peccatoris – die Höhle des Sünders“, schloss Pater Bonifatius.
    „Falls ja, dann hat er sie viele Jahre nicht benutzt.“
    Bruder Anselm blies den Staub vom Papier und begann zu husten, als der ihm postwendend ins Gesicht flog. Marcus wartete darauf, dass das gleich seine Schuld sein würde.
    „Nun machen Sie schon sauber, du lieber Himmel. Und machen Sie nichts kaputt, und fassen Sie am besten nichts an.“
    Ah. Es war zwar nicht direkt sein Fehler, aber war nun dennoch seiner Verantwortung zugeteilt worden.
    Er nahm ein Tuch und quetschte sich in den kleinen Raum. Zuerst wischte er alles vorsichtig ab und begann mit dem offen daliegenden Eintragsbuch.
    „Die Bücher! Machen Sie erst einmal die Bücher sauber und reichen Sie sie mir heraus!“
    Er nickte nur, war sich auf sündhafte Weise bewusst, dass, hätte er mit den Büchern angefangen, man ihm nun aufgetragen hätte, sich doch zuerst die dicke Notizkladde vorzunehmen. Er schob den Gedanken beiseite, denn er war respektlos.
    „Hier, Bruder.“
    Die Folianten waren schwer. Er nahm den ganzen Stapel auf einmal hoch und reichte ihn Bruder Anselm, der ihn prompt fallen ließ und sich dabei die Hand einquetschte, als er versuchte, die Bücher davor zu bewahren, allzu heftig auf den Boden aufzutreffen.
    „Idiot!“, schimpfte

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