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Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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serviert.
    Dann wieder dachte Ian, dass Sutton wohl schon wusste, was er tat. Offensichtlich tat er es nicht zum ersten Mal. Er war ein Kerl aus dem Wilden Westen und nicht ein – Ian suchte nach einer Beschreibung für sich selbst – ein unschuldiger, presbyterianischer Chorjunge. Oder immerhin ein fast unschuldiger ex-presbyterianischer Ex-Chorjunge.
    Sutton klopfte an.
    Nach einer Weile öffnete sich die Tür, und ein Mann, dessen Gesicht einem nicht unbedingt Vertrauen eingab, spähte nach draußen.
    „Was wollen Sie?“, fragte er grob.
    „Was jeder will, der hierherkommt“, antwortete Sutton und ließ ein paar Münzen klingeln.
    „Der Junge auch?“
    Ian verfluchte sein Aussehen. Er war klein und dünn und wirkte immer jünger, als er war. Ärgerlich war das. Schließlich war er fast zwanzig.
    „Natürlich. Lassen Sie uns jetzt ein, oder müssen wir hier draußen im Regen stehen bleiben, guter Mann?“
    Der Kerl musterte sie noch einmal und trat dann beiseite, um sie hereinzuwinken. Seine Hand deutete in Richtung eines von Kerzen erleuchteten Salons, wo eine Anzahl spärlich bekleideter Damen auf den Sofas lungerten. Ian fiel auf, dass kurze Unterhosen, die die Beine tatsächlich bis über die Knie frei ließen, Mode geworden waren. Die Mädchen trugen außerdem festgeschnürte Mieder, aber keine Unterkleider. Ein paar der Damen wirkten so, als wäre ihnen kalt. Sie hatten sich in Wollstolen eingewickelt und ein oder zwei Strickzeuge verschwanden blitzschnell in der Versenkung. Offenbar war es ein ruhiger Abend im Sündenbabel.
    „Guten Abend, meine Damen“, grüßte Sutton enthusiastisch und verbeugte sich formvollendet. Nicht einmal eine Spur von Ironie war in der Begrüßung zu spüren. Er meinte es so, wie er es sagte.
    Sie waren weiß Gott nicht alle jung. Tatsächlich fand Ian, dass manche dem Alter seiner Mutter näher waren als dem eines jungen Mädchens.
    Er verfluchte sich sofort für diesen Gedanken, denn nun da der Vergleich sich in seinem Sinn manifestiert hatte, bekam er ihn nicht mehr hinaus. Seine Mutter war wirklich der letzte Mensch auf Erden, an den er gerade jetzt denken wollte. Sie war eine hochmoralische, fromme Dame. So verdiente sie es keinesfalls, mit einem Haufen käuflicher Sirenen in Rüschenunterwäsche verglichen zu werden.
    Jemand nahm ihm den nassen Umhang ab und streckte die Hand aus, um ihn auch von dem tropfenden Zylinder zu befreien. Ian nickte, unfähig, sich auch darauf noch zu konzentrieren. Das Leben schien im Moment etwas überfüllt zu sein.
    „Am besten fangen wir mal mit was Nettem zu trinken an und mit ein bisschen Unterhaltung“, schlug Sutton vor. Die Damen rückten zusammen und ließen seinen Kollegen zwischen sich, von wo aus er mit der Welt zufrieden grinste. Meister des Arkanen ließen sich immer Zeit, wenn es darum ging, eine Entscheidung zu treffen. Um ein erfolgreicher Meister zu werden, musste man sich in der Entscheidungsfindung stets an die Reihenfolge der vier Schritte halten: Fakten prüfen, Analyse, Conclusio und Aktion. Dass sich Meister Sutton in einer solchen Situation so seiner Ausbildung gemäß verhalten würde, war zumindest amüsant.
    „Kommt Ihr Freund auch dazu?“, fragte eine der Frauen. Sie war mindestens dreißig, hatte schreckliche Zähne, war aber ansonsten ganz gut von Mutter Natur ausgestattet. Ian fühlte sich von ihren weitläufigen Proportionen ein wenig überfordert.
    „Natürlich kommt er“, strahlte der ältere Magier, der ganz in seinem Element zu sein schien. „Nun kommen Sie schon, McM…anus, setzen Sie sich zu uns. Die Mädels hier beißen nicht, außer natürlich, Sie zahlen eigens dafür.“ Er zwinkerte Ian zu, der zu dem Schluss kam, dass Meister Valerios vielleicht doch nicht gänzlich unrecht hatte, als er keinen jungen Akolythen mit dem ungebärdigen, frischgebackenen Meister hatte mitschicken wollen. Valerios befürchtete ja immer das Schlimmste. Ian hoffte, dass er sich diesmal irrte. Er versuchte, nicht daran zu denken, was das Schlimmste in dieser Situation wohl sein mochte: eins auf den Schädel zu bekommen und ausgeraubt in der Gosse zu landen? Oder einfach nur nicht adäquat auf die Situation reagieren zu können und als Schlappschwanz dazustehen?
    Vorsichtig nahm er auf einem der Sofas Platz.
    „Wo sind Sie her?“, fragte eine kleine, rundliche Rothaarige und setzte sich neben ihn.
    „Schottland“, verkündete er wahrheitsgemäß.
    „Wo liegt das?“
    „Wissen Sie denn, wo England liegt,

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