Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
violettem und schwarzem Band verknotet und mit Wachs gesiegelt. Drei Kruzifixe standen in den restlichen drei Ecken. Neben der Tür hing ein kleines Weihwasserbecken, und weitere Flaschen gleichen Inhalts standen auf einer Kommode.
Die Tür öffnete sich. Ein weiterer Klosterbruder trat ein. Er war jung, dürr, mit einem beinahe gejagten Ausdruck um die Augen.
„Bruder Marcus“, begrüßte ihn der Priester leutselig. „Gesegnet sei dein Eintritt.“ Der Neuankömmling verbeugte sich. Er wirkte wie immer etwas schuldbewusst. Vielleicht war es sein Anteil an der Erbsünde, denn tatsächlich tat er immer sein Bestes, seinen Vorgesetzten und Gott selbstlos zu dienen – und zwar in dieser Reihenfolge. Gottes Zorn mochte langfristig beängstigender sein, doch Pater Bonifatius’ Zorn war erheblich näher.
„Pater Bonifatius, Bruder Anselm“, grüßte Bruder Marcus und schloss die Tür hinter sich. Dann stand er da und wartete.
„Nimm doch Platz, Bruder“, lud der Priester ihn ein. Er war ein Mann um die fünfzig, jovial und freundlich, mit einem Lächeln auf den Lippen und einem scharfen Blick. Askese schien keine seiner Stärken zu sein, wenn man sein Bäuchlein als Indiz nahm. Er sah aus wie ein netter Dorfpfarrer, dem man bedenkenlos all seine Geheimnisse und Verfehlungen anvertrauen würde. Nur die vorsichtigen Bewegungen des Neuankömmlings, der eher unsicher nach Anzeichen von Ungemach in den Zügen seines Vorgesetzten suchte, mochten ein Hinweise darauf sein, dass der Priester gemeinhin weniger mild und vergebend war als seine Religion von ihm forderte.
Tatsächlich glaubte Bonifatius fest daran, dass Vergebung göttlich war, seine eigene irdische Aufgabe aber das Erbringen eines Geständnisses und von Reue, um diese göttliche Vergebung erst möglich zu machen. Er war das Werkzeug Gottes. Ein Hammer, eine Axt, eine Feile, so das gebraucht wurde, oder ein Zängelchen.
„Was hast du herausfinden können, Bruder?“, fragte er das jüngste und neueste Mitglied der Einsatzgruppe und lächelte.
„Leider nicht viel. Die Reisenden zerstreuten sich schnell. Eine Frau sagte, sie habe ein Boot an der anderen Schiffsseite gesehen. Falls das zutrifft, könnten die Frau und das Mädchen auf diesem Weg entkommen sein. An Bord waren sie mit ziemlicher Sicherheit.“
„Hast du mehr über das Boot herausgefunden?“
„Die Zöllner wurden sehr unzugänglich, als ich fragte, ob es möglich sei, flussseitig am Schiff anzulanden. Sie versicherten mir, das sei unter den wachsamen Augen der Beamten Seiner Majestät undenkbar. Vielleicht kann Bruder Anselm sie dazu bewegen, mehr zu erzählen?“
Bruder Anselm sah nicht einmal auf, obgleich jemanden dazu zu bewegen, mehr zu erzählen, eine seiner Stärken war. Er legte die Hände flach auf den Tisch und betrachtete seine Finger, als sei er ganz darauf konzentriert, sie zu zählen. Was immer er auch tat, von Bruder Marcus nahm er keinesfalls irgendwelche Vorschläge an. Die Feinheiten einer Rangfolge bedurften größter Achtsamkeit. Der junge Mönch hatte keine Autorität über ihn. Doch er selbst konnte es nun auch nicht vorschlagen, ohne an Respekt zu verlieren. Befehle hatten von oben zu kommen.
Der Priester blickte von Marcus zu Bruder Anselm.
„Nun, was denken Sie?“ Es schien kaum eine Frage zu sein, eher ein Befehl.
Einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte Anselm mit den Schultern zucken. Er unterließ es aber wohlweislich.
„Ich werde tun, was nötig ist“, sagte er ein wenig ungehalten, als wäre es nicht nur eine Beleidigung, sondern eine Abwertung, daran zu zweifeln.
„Selbstverständlich. Vielleicht am besten sofort, nicht wahr?“ Auch das war keine Frage.
„Sofort?“
„Gehen Sie! Mit meinem Segen. Bruder Marcus wird Sie begleiten. Das tut er gerne.“
Keiner der beiden Mönche blickte glücklich drein, doch sie verneigten sich schnell, und Bruder Anselm erhob sich.
Der Priester betrachtete sie einen Augenblick lang.
„Sie wirken“, sagte er, „als wüssten Sie nicht genau, was Sie zu tun haben. Das kann doch wohl nicht sein?“
„Das Ziel ist klar“, sagte Anselm. Seine Lippen zuckten. „Das Mädchen finden und auf dämonische Einflüsse und Besessenheit überprüfen.“
Pater Bonifatius’ nettes Lächeln erschien auf einmal etwas zahnig.
„Ganz richtig. Sollten Sie aber nicht in der Lage sein, das Mädchen und die Gouvernante zu finden, werde ich mich zunächst damit zufrieden geben, wenn Sie so viele Fakten wie
Weitere Kostenlose Bücher