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Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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eine Schmierspur in der Zeit sein würde.
    Die Welt hatte sich in einzelne Bilder zerschlagen. Manche ergaben Sinn, andere nicht. Er stand auf heiß brodelndem Fels, oder es kam ihm immerhin so vor. Doch er brannte nicht, konnte nicht verbrennen, denn diese Hitze war steinkalt.
    Seine Hände hielten eine Scheinversion des Firmaments fest. Diese würde ihm erbarmungslos aus den Händen gleiten, wenn er losließ.
    Er fühlte sich schwerelos, war sich nicht mehr sicher, ob der weiße Fels unter seinen Füßen unten und was immer seine Hände berührten oben war.
    Der Baum beobachtete ihn mit einer gewissen skeptischen Distanz. Er erschien in all diesem Durcheinander erstaunlich echt. Er war eine Welt für sich. Mehr als das. Er war ein Bollwerk.
    Auch war er nicht unbewohnt.
    Sutton erkannte Clarissa sofort. Sie hatte sich in dem Baum ausgebreitet, wuchs in ihn hinein, als ob sie versuchte, eins mit ihm zu werden.
    Er erkannte auch das andere Mädchen, das der Zuhälter gekauft hatte. Er hatte ihr aufkeimendes magisches Talent gefühlt, und es hatte ihn an die Frauen erinnert, die sich vor einem halben Jahr solche Mühe gegeben hatten, ihn vergessen zu lassen, dass er sie getroffen hatte. Was immer sie mit seiner Erinnerung angestellt hatten, war nun aufgehoben.
    Es machte keinen Unterschied. So oder so würde von seinem Wissen nichts übrig bleiben.
    Er blickte über seinen Kopf empor – oder hinab – und sah die andere Welt, das graue Reich, von dem er so viel gehört hatte. Durch Blut und Schmerz war es mit der Wirklichkeit verbunden. Er sah die Landschaft verkehrtherum von oben. Ihr Mittelpunkt war ein Hügel, der umgekehrt genau über Suttons Position hing. Die weiße, stalaktitische Spitze war wie eine schlechte Kopie des Hügels, auf dem Sutton stand.
    Der umgekehrte Nebel wogte wie Gewitterwolken dem hängenden Gipfel entgegen. Irgendwann würde er von ihm vollkommen verschlungen.
    Jetzt erst sah er den jungen Mann direkt auf dem Scheitelpunkt sitzen. Als ginge ihn das alles nichts an, las er ein Buch. Das ergab wenig Sinn. Der Nebel barg unzählige Gefahren, etwas braute sich zusammen. Doch der junge Mann saß einfach nur da und las.
    Ab und zu blickte er auf, sah zum Nebel und versenkte seine Nase dann wieder in das Buch. Hätte er nicht besser daran getan, etwas zu unternehmen?
    Sutton wurde klar, dass er genauso wenig wusste, was hier zu tun war, wie Ian. Sollte das Buch also Wissen vermitteln, anstatt nur der Ablenkung zu dienen, so tat der Akolyth eventuell genau das Richtige.
    Erst jetzt wurde Sutton die Abwesenheit jeglichen Geräuschs bewusst. Die Stille war so absolut, dass sie fast ein eigenes Geräusch darstellte, wenngleich auch ein unhörbares.
    Die Welten rotierten gegeneinander wie die Spitzen zweier sich drehender Kreisel. Doch als Antriebsenergie fungierte wilde Magie, und so schliffen die Welten aneinander und verhakten sich, wenn sich ihre Spitzen gleichsam ins Gehege kamen.
    Sutton hing ausgestreckt zwischen diesen Welten, bildete Tunnel und Trichter zwischen zwei konischen Enden.
    Der feindliche Magier war vorsichtig. Ob er wirklich verstanden hatte, was hier geschah, war allerdings zweifelhaft. Doch offenbar begriff er, dass sich Sutton über- und die Situation unterschätzt hatte, und er hatte nicht vor, den gleichen Fehler zu begehen. Also konzentrierte der Mann sich auf die Frau, während der andere Mönch mit dem Wolf kämpfte.
    Doch dann war dieser Kampf zu Ende. Es war dem Mann gelungen, das Tier zu verletzen, denn nun lagen sie beide auf dem Boden, zerschlagen und voller Blut.
    Der Mann, der ein Wolf war. Eben erkannte Sutton es genau. Er hatte keine klare Erinnerung an den Mann aus dem Bordell, hatte sich zu der Zeit auf andere Dinge konzentrieren müssen. Doch es war der gleiche Mann, da war er sich sicher.
    Er begriff, dass es nicht im Interesse der Bruderschaft liegen konnte, Menschen in wilde Tiere zu verwandeln. Also wie …
    Ein unfertiger Mensch. Er spürte es jetzt. Seine Menschlichkeit war wie ein zerrissenes Kleidungsstück, das mit einem fremden Material geflickt worden war, um es wieder ganz zu machen. Aspekte von Wolf und Mensch bildeten ein Konglomerat in ein und derselben Person, und zumindest in der letzten Zeit hatte der Wolf die Oberhand gehabt.
    Das erklärte das seltsame Betragen des Wolfes zum Teil, aber nicht vollends.
    Sutton versuchte zu rufen. „Ian!“ Seine Lippen formten den Namen, doch es kam zu keinem Geräusch. „Ian McMullen! Tun Sie

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