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Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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von sich zu geben. Jemand zog sie hoch. Sie konnte kein Geräusch wahrnehmen. Ihr Herz schlug in plötzlicher Panik. Allein draußen in der Nacht. So wurde man als Frau schnell die Beute eines jeden, der vorbeikam. Es war die Zivilisation, die Menschen – zumal Frauen – schützte. Und sie hatte sich außerhalb der Zivilisation begeben. Sollte sie um Hilfe rufen? Nein. Ihr Geschrei hatte ihn erst herbeigelockt, das wusste sie jetzt.
    Seide, dachte sie. Irgendetwas fühlte sich seidig an.
    Ihre Nackenhaare stellten sich hoch. Letzten Abend hatte sie das schon einmal gespürt.
    Der Mann – er musste es wohl sein – drängte sie schweigend vorwärts, und sie war zu müde, um sich zu wehren. Sie stolperte, und er fing sie in einer Umarmung.
    Die plötzliche Nähe mobilisierte nun doch noch ihre Kampfinstinkte . Doch die Seidenarme hielten sie eisern fest. Ein Gefühl von Déjà-vu überkam sie. Genau in dieser Lage hatte sie sich schon einmal befunden. Der Mann war zu stark. Was blieb ihr also, außer es zuzulassen.
    Wenn er nur etwas sagen würde!
    Er sagte nichts, führte sie nur weiter. Sie hörte Zweige unter ihren Schritten brechen. Ihn hörte sie nicht, keinen Schritt, keinen Atemzug, nichts. Er war da, körperlich anwesend mit all seiner Macht und doch kaum präsent. Nur ein Stück Dunkelheit in der Dunkelheit.
    „Bitte!“, bettelte sie und wusste nicht so recht, worum sie bitten sollte. Schließlich wusste sie nicht, wer er war und was er wollen mochte.
    Es war nicht so, als wäre er irgendwie brutal. Doch er war in seiner ganzen Wesenheit unausweichlich.
    Er hielt an.
    Scharniere quietschten. Fast fühlte sie das Gebäude mehr, als dass sie es sah. Der Geruch von Heu und nassem Holz umfing sie. Man schob sie weiter. Schließlich stand sie nicht mehr im Regen.
    Eine Hand legte sich über ihre Augen, und ein kurzer, scharfer Schmerz fuhr ihr durch den Kopf. Sie stöhnte und tastete nach der Hand, doch die war verschwunden.
    Mit einem Mal war die Welt heller geworden. Die Schwärze der Nacht hatte sich in verschiedenste Grautöne gewandelt. So konnte sie feststellen, dass sie in einem groben Heuschober stand. Ihr Pferd war mit in das Gebäude gekommen und tat sich an gestohlenem Heu gütlich. Sattel und Zaumzeug lagen auf dem Boden.
    Sie hatte nicht abgesattelt. Und der Mann hatte sie zu keiner Zeit losgelassen, um das zu erledigen. War er etwa nicht allein? Sie versuchte, weitere Details im Grau der Umgebung auszumachen, aber sie konnte nur eine einzige Gestalt in einem Umhang sehen, allzu nah.
    Einen Augenblick später lag sie rücklings im Heu.
    „Nein!“ Furcht und Entrüstung fuhren ihr durch Kopf und Glieder.
    Er ließ sich neben ihr nieder, und sie schlug nach ihm. Er fing ihre Handgelenke und hielt sie mit einer Hand fest. Du lieber Himmel, was würde er jetzt mit ihr tun? Ihr Gemüt bot ihr nur eine einzige mögliche Antwort.
    „Lassen Sie das!“ schrie sie ihn an. „Nicht!“
    „Schhhhhh.“
    Es war das erste Geräusch, das von seinen Lippen kam. Falls es beruhigend wirken sollte, dann machte er etwas falsch.
    Sie erinnerte sich lebhaft an die Begegnung am Fluss. Sie hatte ihren Treueid geleistet, ohne auch nur nachzufragen, was dazugehörte.
    Das war auch wieder ein Fehler gewesen.
    „Sie haben mir überhaupt nicht gesagt, was …“
    Sie wand sich unter seiner Hand, die ihr übers Haar strich, über ihr Gesicht, ihren Körper entlangfuhr, ihre Brüste berührte, dann ihren Bauch und weiter ihren Beinen entgegen und an ihnen entlang. Als ihre Ausweichmanöver ihn störten, drückte er sie mit seiner ganzen seidigen Präsenz nieder. Er war seltsam leicht. Dann stellte sie fest, dass ihre Kleider trocken waren und sie sich zum ersten Mal seit vielen Stunden warm fühlte.
    Ihr wurde klar, dass es jetzt geschehen würde. Das Schicksal, vor dem sie Clarissa hatte bewahren wollen, traf sie. Männer nannten es gerne „schlimmer als der Tod“.
    Sein Atem war warm, sein Körper bestand aus unendlich vielen dünnen Knochen, Sehnen und Muskeln.
    „Wir haben ein Abkommen.“ Sie versuchte, ruhig zu bleiben. Hysterie würde hier nichts bringen. Und solange sie redeten, machten sie vielleicht nichts anderes. „Clarissa. Wo ist Clarissa? Unser Abkommen hieß, Sie würden sie retten. Also, wo ist sie?“
    „In Sicherheit.“
    „Ich will sie wiederhaben.“
    „Du wolltest, dass sie in Sicherheit ist. Das ist sie.“
    Damit hatte er zweifelsfrei recht. Sie hatte nie genau formuliert, dass sie das

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