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Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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lehnte sich gegen die Macht des Instinkts auf, und sie zwang ihn gebeugten Hauptes auf die Knie. Er knurrte und fauchte ein Gebet: Er hatte gefehlt; er hatte gefehlt; er hatte gefehlt.
    Wieder sah er das Bild der jungen Frau vor sich. Diese stolzen Augen. Das Gefühl, sie hinter sich auf dem Pferd zu spüren, Körper an Körper. So nah. So verbunden. So intim. Fast war sie sein. Verdammt. All dies war ihre Schuld. Ihre Schuld allein. Er wollte sie packen und schütteln und fassen und reißen …
    Er schlug seinen Kopf gegen die Wand neben ihm. Fest. Der Zusammenprall ließ seine Gedanken wirbeln. Langsam setzte er seine Hände an die raue Mauer und zog sich hoch. Krallen kratzten über Stein. Er blickte seine Hände nicht an, wollte nicht sehen, wie sie aussahen. Er wünschte sich, er hätte seine Handschuhe noch, doch er hatte sie abgelegt, als er das Bordell betreten hatte. Ganz höflich, wie es sich gehörte, wenn man ein Haus betrat.
    Die Bordellwirtin hatte ihn willkommen geheißen. Er war nicht zum ersten Mal dort. Seit er sich entschieden hatte, nicht zu heiraten, boten die Besuche bei Madame Elvira Ausflüge in die Welt von Fleischlichkeit und Lust. Sie boten Linderung. Über die Mädchen hatte er nie groß nachgedacht. Unwillig waren sie ihm nie erschienen. Man hatte ihm freilich auch nie ein Kind in Clarissas Alter angeboten. Widerlicher Gedanke.
    Ihr Bild etablierte sich vor seinem Auge. Diese frühlingsgrünen Augen schienen wie ein Teil eines Suchbildes, und er ahnte unwillkürlich, dass er diesen Teil nicht verlieren durfte. Es war wichtig, auch wenn er nicht wusste, weshalb. Doch es gab eine Verbindung. Irgendwo.
    Aufrecht zu stehen ermüdete ihn. Der Zwang der Erdanziehung schien überwältigend. Er weigerte sich nachzugeben, stand einfach nur da, die Wange und Handflächen gegen den kalten, nassen Stein gepresst. Sein Atem ging rasch und laut, hechelnd.
    Er zwang sich dazu, seine Gedanken zu ordnen. Er musste die Situation analysieren. Dazu brauchte er seinen ganzen Verstand zurück. „Mein Name ist Richard“, sagte er sich. „Ich bin ein Spross der Rosberg-Familie. Ich trage den Rosberg-Fluch in mir, doch ich weigere mich, mich ihm zu ergeben. Es muss einen Weg da heraus geben. Es muss.“
    Das hier durfte einfach nicht geschehen.
    Er spürte, wie seine Kleidung ihn weniger einschnürte, weniger ein Teil von ihm wurde. Sein Mantelcape wehte im Wind. Während er sich an der Hauswand entlangschob, versuchte er zaghaft einen Schritt. Und noch einen.
    Er musste sein Pferd wiederfinden. Er hatte es nicht weit von hier angebunden. Danach sollte er wohl die Frau suchen. Er konnte fast fühlen, wie ihn der Gedanke in zwei Richtungen zerrte. Ärger und plötzliche Lockung. Wie sie den Mönch bekämpft und ihr Kind eingefordert hatte! Ihre Entschlossenheit war ebenso beeindruckend wie berührend.
    Es würde an ihm sein, das junge Mädchen zu finden. Er erkannte das als seine Aufgabe. Sie war ihm zur Pflicht geworden, als er auf dem Boot den Preußen beobachtet hatte, wie der sich den Damen näherte. Schon da hätte er gut und gern einfach wegsehen können. Dann läge er jetzt in einem weichen, warmen Bett.
    Stattdessen war er den Vögeln gefolgt. Das Letzte, was er je tun sollte.
    Er setzte seine Schritte mit Bedacht, als wäre ihm die aufrechte Haltung widernatürlich. Langsam wurde seine Konzentration besser. Die Nacht erschien ihm dunkler. Es regnete immer noch. Er konnte das Wasser auf seiner Haut fühlen, wo es ihm in den Kragen rann. Beinahe fror er gerne.
    Er hätte Fräulein Vanholst fragen sollen, warum sie das Schiff nicht über die Gangway im Hafen verlassen wollte. Doch er wusste es schon. Weil die gleichen Männer, denen er nicht hatte begegnen wollen, auch hinter dem Mädchen her waren. Die Gründe dafür waren sicher so verdreht und krumm wie alles, was diese Leute taten.
    Er zweifelte nicht mehr, dass diese Männer der Bruderschaft angehörten. In seiner Bibliothek hatte er ein Buch, das diesen Orden beschrieb. Sein Vater hatte ihn immer dazu angehalten, viel zu studieren. Als er noch meinte, eine Antwort auf den Familienfluch darin zu finden, hatte er Buch um Buch gelesen. Doch er war nie ein großer Gelehrter gewesen. Bäume waren ihm wichtiger als Papier, und die freie Natur zog er einer Lesestunde im Lehnsessel allemal vor. Keines der Bücher hatte ihm Aufschluss über sein Dilemma gegeben, nur die Information, die Bruderschaft zu meiden.
    Wer der andere Magier gewesen war, wusste er

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