Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
unablässig geflucht, seit er das Wirtshaus verlassen hatte. Ihn störte das Wetter. Er mochte seine Aufgabe nicht. Und was er an dieser Aufgabe ganz besonders verachtete, war, dass er so gar nicht genau sagen konnte, weswegen sie seine Aufgabe war.
Er war – auf seine sehr eigene Art – ein sehr geradliniger Mann. Warum er etwas tat, war in seinem Leben immer einfach zu beantworten gewesen. Diesmal war das ganz und gar nicht der Fall.
Eins wusste er zweifelsfrei: Er musste diese Mönche wiederfinden. Und er sollte besser nicht mit leeren Händen dastehen, wenn er sie wiederfand.
Beinahe entging ihm das Mädchen, das an der Seite des Pfades stand. Es sah ihn altklug an. Zu jung und zu dürr für den normalen Markt, konstatierte er automatisch. Seine Haltung gegenüber Kindern war rein geschäftlich ausgerichtet.
Er betrachtete dieses Exemplar. Es war vermutlich nicht einmal die Lumpen wert, die es am Körper trug. Aber vielleicht hatte das Kind ja etwas beobachtet?
„He, du! Hast du eine blonde Dame hier entlangreiten sehen?“
Im Gesicht des Mädchens zuckte es wissend. Doch es antwortete nicht, hob nur die Schultern. Das konnte er auf den Tod nicht ausstehen.
Ein plötzlicher Anflug von Ärger ließ ihn aus dem Sattel gleiten, noch bevor er weiter darüber nachgedacht hatte. Er war so schnell, dass er die kleine Kröte an der Schulter gepackt hatte, bevor sie davonrennen konnte. Er schüttelte sie.
„Ich habe dich was gefragt, Göre!“
Sie jammerte, und er gab ihr eine kräftige Ohrfeige. Ängstlich schüttelte sie den Kopf, und er wusste, dass sie log.
Er schüttelte sie noch heftiger.
„Wo ist die Frau hingegangen?“
„Da war keine Frau nicht.“
Er schlug sie noch einmal, und nun begann sie heftig zu weinen.
„Du sagst mir jetzt die Wahrheit, du Kröte.“
Er drohte ihr nicht direkt. Das hatte er nicht nötig. Wenn man einen gewissen Status im Leben erreicht hatte, dann reichten Befehle gemeinhin. Vielleicht sollte er die Kleine doch mitnehmen. Der Markt für Kinder war ein wenig speziell, doch er existierte.
Eine Stimme hinter ihm unterbrach ihn.
„Sie da. Was machen Sie mit meiner Tochter?“
Verdammt.
Er wandte sich langsam um und zog sein Gesicht zu einer freundlichen Miene zusammen.
„Ihr Kind ist das?“
„Mein Kind.“
Der Vater war ganz sicher kein Gegner. Er war ärmlich gekleidet. Sein Gesichtsausdruck war eher ängstlich als ärgerlich.
„Ihr Kind ist unartig. Es lügt wie gedruckt.“
„Mag sein, dass Bonadea unartig ist. Dann muss sie freilich bestraft werden. Aber doch wohl von mir. Oder ihrer Mutter. Oder ihrer Herrschaft, wenn sie erst in Diensten steht. – Nicht von Ihnen, mein Herr, – wenn Sie erlauben.“
Das hätte fast beeindruckend klingen können, wenn der Tonfall nicht so entschuldigend gewesen wäre. Der Mann hatte von Gützes Kleidung auf dessen vermeintlichen sozialen Stand geschlossen und war sich so gar nicht sicher, ob er ein Recht hatte, gegen ihn aufzubegehren.
Gütze lächelte herablassend. Er verstand den Mann gut. Dieser war nicht grundsätzlich gegen Gewalt. Vermutlich war er daran gewöhnt, dass andere das Sagen hatten. Und unartige Kinder gehörten nun mal gezüchtigt.
„Sie suchen also eine Herrschaft für sie. Eine gute Anstellung?“, fragte er, und der Mann blickte ihn erwartungsvoll an. Dann zuckte er mit den Schultern.
„Wir fahren nach Amerika. Da kann sie genauso eine Herrschaft suchen.“
Das Kind wand sich vergeblich in Gützes Griff. Seine Frustration schien sich jedoch zwischen Gütze und seinem Vater gleichmäßig zu verteilen.
„Ich geh nicht nach Amerika!“, begehrte es auf. „Ich geh nicht. Ich will nicht!“
Jetzt klang der Vater frustriert. Offenbar lief diese Diskussion nicht zum ersten Mal.
„Das entscheidest nicht du. Jetzt sei still und geh heim zu deiner Mutter. Wir packen.“
Gütze nickte Verständnis heischend.
„Ah, ja. Die neue Welt. Voller Möglichkeiten für einen Mann mit ein bisschen Geld. Aber teuer hinzukommen. Drei Überfahrten. Da wäre es doch viel besser, Sie verkauften sie in den Dienst. Sie wäre Ihnen so doch nur eine Belastung.“
Der Mann nickte. Offenbar war ihm der Gedanke auch schon gekommen. Dem frustrierten Blick auf seine Tochter konnte man allerdings entnehmen, dass er nicht glaubte, irgendwer würde der Göre eine gute Stelle geben.
So fühlte Gütze sich beinahe als Wohltäter, als er sein Angebot machte.
„Ich habe da einen sehr schönen Gasthof in Passau. Dahin
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