Schwingen der Lust
die Hand aus und Maggie legte sie hinein.
Sie sah, dass Axel noch immer mit seinem Lachanfall von vorhin zu kämpfen hatte und sie anschmunzelte. Sie warf ihm einen gespielt ungehaltenen Blick zu. „Sehr witzig, Herr Engel. Sehr, sehr witzig.“
Wenigstens besaß er jetzt die Höflichkeit, zumindest so zu tun, als täte es ihm leid, sie so erschreckt zu haben.
Wie vorhin die Schere, hielt Sybaris nun wie aus dem Nichts gezaubert eine kleine, fein geschnitzte Spindel aus einem gebleichten Knochen in der Hand und benutzte sie dazu, die einzelnen Wolfshaare mit geschickten Fingern zu einem dicken, groben Faden zu spinnen. Dabei sang sie leise ein rhythmisches Lied in einer alten Sprache, die nur aus Vokalen zu bestehen schien. Maggie fühlte sich an eine Indianerschamanin bei einer Geisterbeschwörung erinnert. Besonders, da jetzt auch die Wölfe einer nach dem anderen leise in den Singsang mit einstimmten.
Als der Faden fertig gesponnen war - er war etwa so dick wie Maggies kleiner Finger und einen Meter lang -, nahm sie das eine Ende in den Mund und begann sorgfältig darauf herumzukauen, bis es auf der anderen Seite ihrer Zähne wieder zum Vorschein kam, wo sie mit der anderen Hand daran zog. Auf diese Weise kaute sie den ganzen Faden einmal der Länge nach durch.
Dann trat sie damit zu dem ersten Wolf und führte auch ihm den Faden durchs kauende Maul. Und danach jedem der anderen. Als sie damit fertig war, war der Faden etwa dreimal so lang, und sie flocht ihn zurück zu seiner ursprünglichen Länge. Dabei arbeitete sie kleine Knochenstückchen und Kräuter in die Fasern mit ein.
„Und jetzt komm mit“, sagte Sybaris, sobald sie damit fertig war und ging mit den geschickten Schritten einer Frau, die es gewohnt ist, im Freien zu leben und sich barfuß zu bewegen, in den Wald hinein. Maggie, Axel und die Wölfe folgten ihr.
Nachdem sie etwa drei-, vielleicht vierhundert Meter durch das Dickicht der dicht an dicht stehenden Nadelbäume zurückgelegt hatte, erreichten sie das Ufer eines kleinen Weihers. Die spiegelglatte Oberfläche leuchtete silbrig im Licht des Mondes und der Sterne.
Sybaris reichte Maggie eine kleine Flasche aus Ziegenleder.
„Was ist das?“, fragte Maggie.
„Das ist das Extrakt der Wolfsmilchpflanze“, erklärte Sybaris. „Reib dich damit ein. Von Kopf bis Fuß. Und gib acht, das wird nicht sehr angenehm, muss aber sein. Lass davon auf keinen Fall etwas in die Augen kommen oder in den Mund.“
Durch die Worte schon im Vorfeld eingeschüchtert, entkorkte Maggie die Flasche mit vor Nervosität zitternden Fingern und goss sich die weiße, zähe Flüssigkeit in die offene Hand. Sofort spürte sie, dass es warm wurde ... und gleich darauf das Brennen.
„Je schneller du bist, umso besser", fügte Sybaris hinzu, und zu ihrem Entsetzen sah Maggie Mitgefühl in den Augen der Alten. So schnell sie konnte, verrieb sie die Milch auf ihrer Haut. Es brannte wirklich mörderisch. Hundertmal schlimmer als Chili. Es fühlte sich beinahe so an, als würde sie Säure auf dem Körper verteilen. Maggies Atem begann zu rasen - wie auch ihr Herz.
„Die ganze Flasche“, sagte Sybaris drängend. „Schnell!“
Maggie beeilte sich.
Der Schmerz war inzwischen so groß, dass sie befürchtete, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Schweißperlen traten ihr auf die Stirn. Der Duft der Flüssigkeit schwebte ihr in die Nase und brannte auch dort fürchterlich.
„Gut“, sagte Sybaris schließlich und nahm ihr eilig die Flasche ab. „Das müsste jetzt reichen. Geh in den Weiher und wasche es ab.“
Maggie gehorchte. Das Wasser war kühl, aber nicht kalt. Es linderte den Schmerz fast augenblicklich. Sie ging schnell bis zu den Schultern hinein und rieb sich hastig ab. Was für eine Erleichterung! Erst ganz allmählich normalisierte sich ihr Puls wieder, und auch ihr Atem wurde wieder langsamer, ruhiger. Sie entfernte sich ein Stück von der Stelle, in der die abgeschrubbte Milch schwebte, tauchte dort unter und wusch sich auch Haare und Gesicht, um sicherzugehen, dass keine Rückstände übrig blieben.
Als sie wieder auftauchte und sich das Wasser aus den Augen gewischt hatte, traf sie Axels Blick ... und das neu erwachte Begehren, das sie darin las, trieb ihr spontan die Röte in die Wangen. Zum ersten Mal wurde sie sich richtig bewusst, wie sehr es ihr gefiel, ihm zu gefallen. Ihm so offensichtlich zu gefallen. Sie drehte sich ihm ein wenig mehr zu, um sich ihm - anscheinend ganz
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