Schwingen der Lust
Natürlich. Und wer die Freiheit liebt, gefährdet die himmlische Ordnung. Erspar mir deine Propaganda.“
„Mit der Ordnung hat er dem Chaos Einhalt geboten“, entgegnete Tazz. „Der Anarchie.“
„Du nennst es Chaos, ich nenne es Natur. Schau doch hin“, sagte Axel voller Leidenschaft und deutete auf den Dschungel. „Das hier ist die Schönheit der Natur. Die Vielfalt, die Unbändigkeit, der Wille zu leben, zu wachsen und zu gedeihen; das zu nehmen, was zur Verfügung steht und das Beste daraus zu machen. Ganz ohne jede auferzwungene Ordnung. Und dabei folgt sie durchaus ihren eigenen Regeln und Gesetzen. Aber sie braucht keinen Gott. Keinen Gärtner. Ebenso wenig wie die Menschheit einen braucht.“
„Sie brauchen seine Herrschaft und seine Gebote, um sich in ihrer Freiheit nicht zu verlieren“, protestierte Tazz.
„Er hat versucht, ein Gemüsebeet aus ihnen zu machen, Bruder“, hielt Axel dagegen, „und jede einzelne Pflanze, jedes einzelne menschliche Begehr, das ihm nicht gefiel, das seine Pläne und seine Gier nach Kontrolle in Gefahr brachte, als Unkraut verdammt und ohne Gnade und Erbarmen ausgemerzt.“
„Er hat nur diejenigen bestraft, die sich an seiner Schöpfung versündigten.“
„Du weißt, dass das nicht stimmt. Und was heißt hier ,seine Schöpfung‘?“, rief Axel. Die Leidenschaft, mit der er das tat, berührte Maggie, obwohl sie sich noch immer kein genaues Bild machen konnte von dem, was hier eigentlich vorging.
„Es war nie seine Schöpfung!“, fuhr Axel fort. „Sie war das Werk der Elohim.“
„Die sie sich selbst überlassen haben“, warf Tazz ein.
„Natürlich“, sagte Axel. „Weil sie von Anfang an geplant hatten, sie sich selbst zu überlassen. Das war doch die vollkommene Schönheit der Idee. Aber dein Herr wollte das nicht zulassen. Er wollte sich nicht daran erfreuen, er wollte angebetet werden ... vergöttert. Und du sagst, er habe nur diejenigen bestraft, die sich daran versündigten?“
„Ja.“
„T’Azar, um Himmels willen, mach endlich die Augen auf! Du warst doch dabei: Er hat die verdammte Sintflut über sie gebracht und sie alle bis auf einige wenige ausgelöscht. Er hat fast die ganze Menschheit vernichtet, nur weil die Dinge nicht so liefen, wie er sie sich vorgestellt hat. Dem soll ich huldigen? Niemals!“
„Du lässt mir wirklich keine andere Wahl“, sagte Tazz. „Heb dein Schwert auf.“
„Du willst doch gar keine Wahl“, erwiderte Axel müde. „Deswegen dienst du ihm ja. Weil er dir keine lässt. Weil du glaubst, dass blinder Gehorsam dich jeder Verantwortung für deine Taten enthebt. Doch da irrst du dich. Er hat dich und all die anderen, die ihm dienten, bereits vor Ewigkeiten verlassen.“
„Er wird schon sehr bald zu uns zurückkehren, sobald sie die Prophezeiung endlich erfüllt“, sagte Tazz zuversichtlich und deutete wieder auf Maggie.
„Du hast tatsächlich keine Ahnung, wovon du sprichst“, sagte Axel. „Falls sich die Prophezeiung jemals erfüllen sollte, wird all das hier untergehen. Und ihr da oben gleich mit.“
„Schweig!“, brüllte Tazz und stürmte mit hoch erhobenen Schwertern auf Axel los. Maggie schrie auf vor Schreck. Doch Axel blieb seelenruhig stehen und schaute dem Angreifer fest in die Augen. Die Klingen sausten herab - und stoppten ... auf beiden Seiten wenige Millimeter von Axels Hals entfernt.
„Wehr dich!“, schrie Tazz voller Zorn, sein vor Wut verzerrtes Gesicht ganz dicht vor dem Axels. „Tu nicht so, als wärst du hier das hilflose Opfer!“
Axel schüttelte nur wieder den Kopf.
Da warf Tazz seine beiden Schwerter weg, holte mit der Faust aus und schlug zu.
Was jetzt geschah, hatte seit Jahrtausenden niemand mehr gesehen, und obwohl Maggies Vorstellungskraft ungewöhnlich lebendig war, überstieg es sie bei Weitem.
Tazz’ Faust traf Axels Gesicht mit der Gewalt eines Blitzes - und einem nicht minder lauten Donnerschlag, der die Luft zum Erbeben brachte und Maggie taumeln und zu Boden fallen ließ.
Axel wurde buchstäblich von den Füßen gerissen und in einem hohen Bogen über zweihundert Meter weit von der Aztekenpyramide weg in den Dschungel geschleudert. Wie ein Komet schlug er in die Baumkronen ein und riss sie mit sich - dort wo er landete, tat sich eine Schneise im Urwald auf.
Triumphierend brüllte Tazz auf und schoss auf seinen Schwingen in die Höhe ... um sich dann mit nach vorne gestreckten Fäusten dort herunterzustürzen, wo Axel gelandet war.
Der zweite Treffer
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