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Schwur des Blutes

Titel: Schwur des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madea Stephanie
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Blitz auf sie zu.
    ~~
    Eher vor Wut schnaufend als vor Anstrengung besah sich Timothy seine zerrissenen Handflächen. Blut sickerte aus klaffenden Wunden, tropfte dröhnend laut auf den verschlissenen, dreckigen Teppich. Sein Herz pochte stürmisch und doch blieb es eiskalt. Gefroren. Der Frost klirrte in seinem Geist, doch die verlorenen Erinnerungen traten nicht zutage. Er war ausgerastet und dennoch war nichts Weltbewegendes geschehen. Seine Belange ließen ihn kalt; bitterkalt. Er warf einen Blick auf die halb leere Scotchflasche und wandte sich ab. Keine gute Idee. Er wusste, wie es bei ihm wirkte. Ungewisse Angst klopfte an sein Gehirn und er japste nach Luft, obwohl er sie nicht benötigte. Seine Finger fuhren in seine verkrustete Jeanstasche, brauchten drei Versuche, seine Pillen aus der schmalen Dose zu fischen und sich einzuschmeißen. Er stand da wie ein begossener Pudel. Wie ein hirnverbrannter Volltrottel.
    „Geht’s wieder?“
„Hm.“
„Ich bin doch da. Ich verlass dich nicht.“
Timothy lachte auf und rieb sich die Juckreiz verursachenden Haare, dass es dunkelbraune Brösel rieselte. Er fluchte, löste
    sich aus seiner Starre und lief los, übersprang das verkeilte Sofa, rannte die Treppe in den Keller hinab. Er schob das wuchtige Flaschenregal beiseite, überkletterte einen Berg von Ziegelsteinen und tippte eine lange Kombination in ein Zahlenschloss ein. Unsichtbare Hände würgten ihn.
    „Du hast sie nicht vergessen. Beruhige dich.“
    Er brummte. Immer musste sie recht behalten. Dennoch, er hätte die Zahlenfolge vergessen können. Er zog die Tresortür auf und schlüpfte durch das Loch. Am Ende des Ganges wiederholte er die Prozedur mit einem Blutscanner. Das ehemalige Reich seiner Schwester Josephine offenbarte sich, als die Technik sein Blut als das Einzige erkannte, das diese reifendicke Stahltür öffnete. Schutzraum und zugleich Sarg seiner Schwester.
    Er war so leichtsinnig gewesen.
„Du hättest jemandem vertrauen müssen.“
„Sicher“, rutschte es ihm über die Zunge und er knurrte. Er musste endlich aufhören, sich mit sich selbst zu unterhalten.
    Er befand sich nicht mehr … in Gefangenschaft oder wo auch immer er 92 Jahre verloren hatte.
„Yep, du bist frei wie der Wind …“
Jetzt hatte er aber genug. Er schluckte drei weitere Pillen und entkleidete sich, bevor er den nackten Fuß auf den Marmor
    der Eingangshalle stellte. Josephines Versteck! Die Vergangenheit ringelte sich mit der Kühle des geäderten Kalkgesteins seine Beine empor. Eine Fußsohle nach der anderen setzte er sachte auf, schlich durch die geräumigen Zimmer, durch antiquarische Möbel wohnlich gestaltet, atmete den Duft seiner Schwester ein, die hier ihr bisheriges Leben verbracht hatte. 106 Jahre. Als er nach 92 Jahren von seiner langen und so nicht geplanten Reise mit seiner nach männlichem Blut süchtigen Mutter heimgekehrt war, hatte er versucht, einen normalen Alltag für Jose aufzubauen.
    „Und bist kläglich gescheitert. Du hast zu viele eigene Probleme. Himmel noch eins! Warum kümmerst du dich nicht mal um dich? Du versuchst nicht einmal, dich zu erinnern.“
Timothy schloss die Tür des komplett gefliesten Raumes. Die Kacheln waren von dem Eisen der freiliegenden Rohre angelaufen, Wasserrinnen zeichneten verkalkte Landschaften. Es war das modernste Equipment, das er vor seiner Abreise Anfang 1919 nachträglich in Joses Schutzkeller hatte einbauen lassen. Er drehte den quietschenden Hahn voll auf und kaltes Wasser lief gemächlich aus den wenigen freien Löchern. Es dauerte einige Minuten, bis heißes Nass niederplätscherte, doch beides rührte ihn nicht. Er folgte dem Fluss des Schlammes von seinem Körper über die Fliesen in den Abfluss in der Mitte des Bades.
Seit der Hochzeit hatte er weder Elena-Joyce in der Sicherungsverwahrung noch Josephine bei den Bakers besucht, ignorierte zudem die Anrufe seiner Schwester. Es war besser so. Gott, was hatte er sich nur dabei gedacht, den Trauzeugen zu spielen? Er hätte bei der Trauung alle umbringen können. Seine Familie, den Baker Clan, Freunde, Bekannte, Verwandte, Bedienstete, Wesen, Menschen. Es hätte nur etwas Unvorhergesehenes passieren müssen.
„Du hast doch vorhin gesehen, dass das so nicht funktioniert. Hallo? Jemand zu Hause? Mach nur so weiter. Ignorier mich ruhig. Ich will dir ja nur helfen. Wirst schon sehen, was du davon hast.“
Er hatte es nicht übers Herz gebracht, Josephine ihren sehnlichsten Wunsch abzuschlagen.

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