Schwur des Blutes
Schließlich hatten sie beide bereits ihr ganzes Leben verpasst und viel schlimmer, er hatte ihres beinahe beendet. Er musste sie einfach am Altar sehen und fühlen, dass sie glücklich war. Und das war sie. Alexander entstammte nicht nur adligem Geblüt, sondern ihm wohnte eine Ehre inne, die er bei anderen selten verspürt hatte. Ein Mann von Wert, dem es nicht einfallen würde, auf einen Vampir niederen Blutes herabzusehen. Nun beschützte er Jose mit seinem Leben. Besser, als er selbst es je tun könnte.
Timothy drehte sich, stützte sich mit den Unterarmen an die Fliesen. Der golfballgroße Diamant baumelte an dem langen Lederband zwischen der Wand und seinem Sixpack hin und her. Er nahm ihn niemals ab. Allzeit sollten die Überreste überdauern, die er zu diesem unvergänglichen Schmuckstück geformt hatte, und ihn an das erinnern, was er getan hatte. Irreversibel, grauenerregend, unfassbar.
Timothy kniff die Augen zusammen, verdrängte die nebulösen, bruchstückhaften Bilder in seinem Kopf, die der Diamant stets hervorrief. Zumindest funktionierte die Methode – vergessen würde er nie.
Erst als er sich beruhigt hatte, spürte er das heiße Nass auf seinen Rücken plätschern und konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt. Die Schnitte der vergangenen Nacht verheilten gut, trotz des Drecks, durch den man ihn geschleift hatte. Was hatten die beiden Frauen sich nur dabei gedacht? Waren sie vollkommen durchgeknallt, Werwölfen eine Falle zu stellen, sie mit Pheromonen anzulocken?
„Sicher, alle sind verrückt, außer dir.“
Er schnappte die Seife, die nach frischen Waldblumen duftete, und schäumte sich widerwillig ein. Nicht nur, weil er danach weibisch roch und dieses Odeur dem von Josephine ähnelte, sondern weil eine wunderschöne rotbraune Lockenpracht vor seinen Augen erschien, und er ziemlich sicher war, dass dies ganz und gar nicht die langen Haare seiner Schwester waren. Der Schaum lief an seinen Beinen hinab und er sah wieder vor sich, was er seit einigen Stunden geschafft hatte zu verdrängen.
Samantha. Als er ihr die Schlüssel gebracht hatte, witterte er ihren Herzschlag in lebensbedrohlichen Höhen. Er hatte wirklich gedacht, sie würde ihrem Leben ein Ende setzen. Mittels Telekinese entriegelte er die Haustür und stürmte in ihr luxuriöses Badezimmer, als sie auftauchte. Die dunklen Spitzen ihrer Brüste raubten ihm kurzfristig Atem und Verstand. Bordeauxrote Haarwellen umschmiegten ihre gebräunte Haut, tauchten in den duftenden Schaum ein. Er hatte sich in Windeseile umgedreht, hätte seine Erektion in der Tür eingeklemmt, wenn es unauffällig möglich gewesen wäre. Er wusste im ersten Moment nicht, was ihn mehr schockierte. Dass sie lebte und einen atemberaubend schönen Leib hatte oder dass er tatsächlich eine Latte bekommen hatte. Etwas Unaussprechliches zog ihn zu dieser Frau. Es war mehr als eine Ahnung oder der Drang, Sex mit einer attraktiven Sportlerin zu haben. Körper wie Geist reagierten in ihrer Nähe, als stünde er unter Strom.
„Bitte, davon hatten wir diese Nacht genug.“
Timothy spülte den Seifenschaum fort und wog seinen Steifen in der Hand.
„Alle Achtung.“
Er fletschte die Zähne. Ja, es blieb erstaunlich, dass er sexuell auf Sam ansprach, sogar wenn er nur an sie dachte. Er hatte nach den 92 Jahren, an die er sich nicht erinnern konnte, auf nichts und niemanden mehr reagiert. Er war ein Eisblock ohne Regungen und hatte geglaubt, dass dies für immer so bleiben würde. Die Sehnsucht, bei ihr sein zu wollen, prickelte ihm heiß über die Haut. Gleichzeitig verfluchte er sich dafür. Er würde Samantha nur in Gefahr bringen.
~~
Jonas setzte Ny’lane nach. Jetzt witterte er es auch. Nyls Instinkte waren wegen des weiblichen Blutes feiner. Kurz vor der Frau knallte Ny’lane mit einem schwarzen Körper zusammen. Knochen knackten. Ein quietschendes Fauchen erklang, das Jonas wie Eiswasser durch die Adern flutete. Er kannte es aus seiner Zeit in Russland, Rumänien und der Ukraine.
Die Mutter riss den Mund zum Schrei auf, doch Jonas hatte sie bereits erreicht. Er versetzte sie in Trance und legte sie auf den Bürgersteig – sie war nicht das Ziel des Angreifers.
Ein ekelerregendes Gurgeln ertönte und Jonas wirbelte herum. Nyl kauerte über der sich wehrenden Gestalt am Boden. Das Kreischen schmerzte in seinen Ohren. Gegen Nyls Kraft hatte der Nesuferit keine Chance. Zum Glück. Ny’lane sprang auf, zog den Vampir auf die Füße und rammte ihm die Faust auf
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