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Schwur des Blutes

Titel: Schwur des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madea Stephanie
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Josephine in die Hände von Alexander Baker gelegt und seine Mutter eingewiesen hatte, entließ er auch seine Torwächter.
    Jedes Wesen zollte den steinernen Geschöpfen Respekt. Ausnahmslos – sogar die Gestaltwandler, so sagte man. Dass irgendwer den Gargoyle Rekktikur-Re besetzt hatte und Jonas’ Frau Cira in dessen mächtigen, geflügelten Körper entführte, hatte die monumentalen Grundfesten der Homo animal erschüttert. Niemals zuvor war es einem Wesen gelungen, ein derart hochmagisches menschliches Lebewesen wie einen Gargoyle zu manipulieren. Er verstand, weshalb Jonas außer sich vor Sorge um Ciras Leben war, schließlich war sie nur ein Mensch und den Kräften eines Wesens willenlos ausgesetzt. Und niemand ahnte im Geringsten, wer hinter ihr her sein könnte.
    Timothy bemerkte, dass er stehen geblieben war, und fuhr sich über die straff gespannte Gesichtshaut. Er sollte sich seines Dilemmas annehmen, aber nichts war ihm so zuwider, wie sich um sich selbst zu kümmern. Für andere etwas zu tun, darin sah er einen Sinn, doch nun zwang ihn wahrscheinlich ein sagenumwobenes Vermächtnis, seiner Vergangenheit auf den Grund zu gehen, an seinen Mauern zu rütteln, sie niederzureißen, obwohl er sie mühsam hatte errichten müssen, damit er überhaupt am Leben blieb.
    Wie ein Toter ging er durch die unverschlossenen Tore. Den Bodyscanner hatte er nach drei Monaten mit hohem Verlust an den Verkäufer zurückgegeben. Das Geld reichte nur für die Hälfte des Kredites, den er aufgenommen hatte, um sein Grundstück nach seiner Rückkehr sicherer zu machen – für Jose und vor allem für Elena-Joyce. Er stieg das verwilderte Waldstück hinauf. Der Anblick sollte ihm Herzleiden bereiten, doch da wütete nichts, nur Leere. Das einst herrschaftliche und gemütliche Landhaus bedeutete ein Dach über dem Kopf, sonst nichts. Er besaß nicht einmal einen Schlüssel für den Vordereingang, deshalb durchschritt er den mit Rosen überrankten Torbogen zum eingezäunten Garten und überquerte die Terrasse. Der Urwald begann mit der Eroberung des Hauses. Prunkwinden hatten den verrosteten Gartentisch, an dem er erst vor zwölf Tagen mit Jonas gestritten hatte, in ein Klettergerüst verwandelt und schlängelten sich zur Bedachung empor. Er drückte die Schiebetür zum Wohnzimmer auf und blieb inmitten der Möbel wie eines von ihnen stehen. Lange Zeit bewegte sich gewohnheitsgemäß nur sein Brustkorb. Die Stille schmerzte in seinem Schädel. Kalter Nebel zog vor seinen Augen vorbei.
    „Du erinnerst dich …“
    Wie ein wild gewordener Stier sah er rot, schleuderte den nächststehenden Sessel an die karge Wand und brüllte. Holz knirschte, Splitter stoben wie Geschosse durch die Luft. Der Glastisch flog samt schimmligem Geschirr über den Küchentresen in den Herd. Er riss die Lampen von der Decke, schleuderte das Sofa die Kellertreppe hinab, das Kamingitter durch die Frontscheibe zum Garten hinaus.
    ~~
    Jonas saß auf der Kante seines barocken Eckschreibtisches und starrte geistesabwesend das Gemälde an der gegenüberliegenden Wand an. Wie Mom ihm erzählt hatte, war dieses Geschäftszimmer Diandros Lieblingsaufenthaltsort gewesen. Jonas spürte buchstäblich, wie die Wandverkleidung die Äußerungen seines Dads aufgesogen hatte, seine tiefe, ruhige Stimme dämpfte, wenn er vor sich hinmurmelnd seine Probleme durchgegangen war, wie sie sein gütiges Wesen Jahr für Jahr inhaliert und angenommen hatte. Die edle Holzvertäfelung gab dem Büro etwas Warmes, Lebendiges. Jonas fühlte sich Dad an diesem Ort nahe, was einerseits ein wunderbares Gefühl hervorrief, andererseits die trüben Gedanken, dass er sich niemals mehr für sein Verhalten entschuldigen konnte.
    Er rutschte von der Holzplatte und ging zu dem imposanten Ölgemälde. In den vergangenen Tagen hatte er nochmals alle Unterlagen gesichtet, die sich in unzähligen Schubladen und Schränken angesammelt hatten. Es blieb unmöglich, zu verstehen, weshalb Dad keinen einzigen Hinweis auf die Legende hinterlassen hatte. Kein Schriftstück, keine Randnotiz, kein auswärts aufbewahrtes Dokument, keine versteckten Schlüssel zu geheimen Schließfächern … nichts. Ein Büro außerhalb seines eigens entworfenen und seit 1780 ständig erweiterten Schlosses hatte er laut Moms Aussage nie besessen. Trotzdem lag es im Bereich des Möglichen, dass Diandro ebenso ein Geheimnis bewahrt hatte wie Lex-Vaun gegenüber seiner Frau Fay. Obwohl er so etwas niemals auch nur annähernd in

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