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Science Fiction Almanach 1981

Science Fiction Almanach 1981

Titel: Science Fiction Almanach 1981 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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meine Sünden und die erlösende Herrlichkeit Donsars zu meditieren, was ich der – von mir nicht ang e zweifelten – Freude des gemeinsamen Gebets mit den Schwestern vorzog. Diese Zeit verbrachte ich mit Träum e reien, oder ich kritzelte mit der roten Tinte Gedichte. Unu m gänglichen Härten unterwarf ich mich, da ich keine andere Wahl hatte, aber in meinen Gedanken hatte ich ein ve r schwommenes Ziel vor Augen, nämlich meinen siebzehnten Geburtstag – oder zumindest den siebzehnten Jahrestag j e nes Datums, an dem ich gefunden worden war. Ich hatte die dumpfe Ahnung, daß dann etwas geschehen würde, das mich befreien würde.
    Bisweilen überlegte ich mir, ob die Erscheinung Donsars wohl in der Lage sei, meine Gedanken zu lesen, aber dies schien nicht der Fall zu sein, und dieser Umstand verstärkte meine aufsässige Haltung. Nichts davon aber sollte eintr e ten.
    Genau am Abend vor meinem siebzehnten Jahrestag wu r de der Vorhof vom Schein der in trübem Rot brennenden Harzfackeln erleuchtet, und sieben oder acht Gestalten e r schienen, die ein weiteres unglückliches Opfer zu der Insel der Verdammnis unseres Tempels brachten.
    In der Schwesternschaft – mich eingeschlossen – war es die Regel, solche Neuankömmlinge mit größter Neugier zu empfangen. Die übrigen Bräute Donsars gaben deshalb auch laute Begrüßungsschreie von sich. Ich starrte die Neue d ü ster an und dachte mit ironischem Humor an ihr Schicksal.
    Diese aber schritt, nachdem ihre Begleiter sie an der Pfo r te abgesetzt und sich zurückgezogen hatten, mit elegant gle i tenden Bewegungen in die Eingangshalle aus Stein.
    Diese Eitelkeit werden sie schon bald aus dir herausg e sprudelt haben, dachte ich voll Bitterkeit und nicht ohne Schadenfreude. Dann nahmen sie ihr den Umhang ab, und sie stand vor der Oberbraut.
    Sie war von überwältigender Schönheit.
    Schwefelgelbes Haar, in Schulterhöhe kurzgeschnitten, milchweiße Haut, rabenschwarze Augen. Ich sah sie mir lange und genau an und ging hinter den aufgeregten Schw e stern langsam hin und her. Sie schien weder besorgt noch froh zu sein über das, was da vor ihr lag. Selbst das kalte Refektorium und das langweilige Essen bewirkten bei ihr keine Anzeichen von Verzweiflung.
    Sie nannten sie Demut.
    Bei uns bestand die Sitte, daß Novizinnen ihre gesamte erste Nacht vor dem Altar verbrachten, um das Licht Do n sars zu beobachten und zu verehren. Nachdem Demut dor t hin geschickt worden war, um ihre Nachtwache aufzune h men, wandte ich mich an die Oberbraut und bat sie um die Erlaubnis, ebenfalls die Nacht hindurch wach zu bleiben. Ich gab vor, daß ich das geistige Bedürfnis verspürte, meine Seele im Glanz der Gottheit zu baden.
    „Oh, Wahrheit“, murmelte die Oberbraut sentimental, „wie gut kann ich mich noch an deine stürmische Kindheit erinnern, als ich an dem Gleichmut deiner Seele verzweifeln wollte.“ Sie tätschelte mir den Kopf. „Ja, geh. Mein Segen geht mit dir. Mach unsere neue Schwester Demut mit der wahren Ekstase Donsars bekannt.“
    „Das werde ich tun“, schwor ich ernsthaft.
    Im Heiligtum des Tempels gaben ein paar zerfallende Kerzen ein rauchiges, unterirdisches Licht von sich. Über dem Altar konnte man gerade noch das vage Schimmern Donsars ausmachen. Ich fand Demut, wie sie in einer Ha l tung gespannter Aufmerksamkeit davorstand.
    „Sei gegrüßt, Schwester“, sagte ich. „Sag mal, was hat dich denn in diese scheußliche Lage gebracht?“
    „Nanu“, sagte sie, und sah mich mit ihren außergewöh n lichen Augen an, „ich habe gedacht, hier seien alle fromm und unterwürfig.“
    „Wenn sie glauben würden, ich sei etwas anderes als fromm und unterwürfig, dann würden sie mir mit ihren Pei t schen zweifellos die Haut herunterreißen.“
    Sie musterte mich langsam und lächelte.
    „Das wäre wirklich schade“, sagte sie.
    „Wenn du mir deine Geschichte nicht enthüllen möchtest, dann könntest du mir wenigstens deinen Namen verraten.“
    „Na, Demut.“
    „Das ist ihr Name, nicht deiner.“
    „Daheim habe ich Lalmi geheißen “ , verbesserte sie sich und senkte ihren Blick. „Und du?“
    „Ich habe keinen Namen, weil ich eine Waise dieses ve r fluchten Tempels bin.“
    Die Erscheinung über dem Altar flackerte.
    „Ach, sei ruhig, du nachgemachtes Lämpchen“, b e schimpfte ich sie. Lalmi stieß einen leisen Schrei von E r schrecken und Bewunderung aus. „Eines Tages wird dieser trügerische Funke ausgehen, und dann wird dieser Tempel der

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