Science Fiction Almanach 1981
Schlachtvieh in Herden halten.
A n dem Tag, als sie mit der Fährrakete ankam, war ich in Libo City. Ich sah sie kurz vom Friseurstuhl aus, als sie die Hauptstraße zum Verwaltungsgebäude der Gesellschaft h i nunterging. Sie war dunkelhaarig und klein, weder jung noch alt – eine tüchtige, scharfzüngige Frau. Kein Mann auf der Straße versuchte, sich ihr zu nähern.
Es gab nicht mehr als ein Dutzend Frauen auf dem ga n zen Planeten … Eigentlich hätten sich die Männer geradezu auf Miriam Wellman stürzen müssen – aber sie taten es nicht. Sie sahen nur hin, und dann trafen sich ihre Blicke. Keiner pfiff durch die Zähne.
Diese Miriam Wellman verhindert ein Pogrom, indem sie allein und ohne Waffe unter eine Horde von Männern tritt, die ein Buchhalter-Goonie totquälen wollen, und sie anredet, als hätte sie einen Kindergarten vor sich. Die Männer geho r chen ihr, und danach ist auf dem Planeten Libo nichts mehr so wie früher.
Ronald M. Hahn
Die Welt der roten Sonne
Der private Kosmos der Marion Zimmer Bradley
Kann man von dem Engländer John Brunner, der sich mit international geachteten SF-Romanen wie Schafe blicken auf (München 1978), Der Schockwellenreiter (München 1979) und Am falschen Ende der Zeit (München 1980) einen N a men gemacht hat, sagen, er sei mit zunehmendem Erwac h senwerden der Science Fiction selbst erwachsen geworden, so gehört seine amerikanische Kollegin zu jener Riege von Unterhaltungsschriftstellern, die sich aus dem literarischen SubGenre des SF-Abenteuerromans im Laufe der Jahre h e rausgeschrieben haben, ohne daß der Großteil jener Art von SF, inmitten derer sie groß geworden sind, sichtbar an Qu a lität zugenommen hat.
Zwar kann man keinem ihrer über zwanzig Romane vo r werfen, ihre Verfasserin sei stereotyp den in der fast sec h zigjährigen Geschichte der modernen SF entwickelten Kl i schees gefolgt, aber ihre Frühwerke zeigen alle Schwächen des Anfängers: Es wird stets mehr gehandelt als gedacht, mehr erklärt als beschrieben, und den Protagonisten mangelt es ebenso an Farbe wie an Innenleben. Daß Marion Zimmer Bradley sich in einem Zeitraum von etwa fünfundzwanzig Jahren an die Spitze einer SF geschrieben hat, die vordem lediglich aus angeblich purer Unterhaltung bestand und au f klärenden Anspruch nach Möglichkeit gar nicht erst erhob, ist sicher nicht allein eine Folge zunehmender Reife, so n dern auch ihren vielfältigen Interessen und einem geistigen Bewußtwerdungsprozeß zuzuschreiben, der sie speziell die Situation der Frau in der heutigen Gesellschaft hat erkennen lassen. Marion Zimmer Bradley ist dadurch nicht zu jener Art von Feministin geworden, die die „patriarchalische G e sellschaft“ für alles und jedes verantwortlich macht, was die Gesellschaft der Frau antut, sondern hat erkannt, daß eine Befreiung nur möglich ist, wenn sie für alle – also auch die Männer – gilt.
Wer sich in der glücklichen Lage befindet, amerikanische SF- M agazine der späten vierziger Jahre zu besitzen, wird – wenn er die Leserbriefspalten aufschlägt – feststellen, daß dort des öfteren eine junge Dame zu Wort kam, die sich Marion „Astra“ Zimmer nannte und die SF jener Tage u n kritisch-enthusiastisch bejubelte. Aber sie tat nicht nur das, sondern betätigte sich auch aktiv in jenem international verbreiteten Mikrokosmos, der sich Fandom (etwa „Das Reich der Fans“) nennt und seit jeher all jenen Geborge n heit vermittelt, die sich als SF-Fans von der Umwelt nicht ernst genommen fühlen. Wie für viele andere war auch für Marion Zimmer Bradley das Fandom ein Sprungbrett zur Schriftstellerkarriere: „Ich bin sicher, daß meine Fandom s begeisterung mich zum Schreiben von SF gebracht hat. Zuerst wollte ich Sängerin, dann Lehrerin werden. Ich ha t te mit beiden Berufen kein besonderes Glück. Jedenfalls dachte ich nie ernsthaft daran, mich als Schriftstellerin zu betätigen. Noch heute sehe ich mich hin und wieder davon überrascht, daß ich zum einen Geld damit verdienen kann und daß zum anderen die Leute das, was ich schreibe, zu mögen scheinen.“
Was sie schreibt, ist eine intelligente Mischung aus par a psychologischen Abenteuern und exotisch-akribisch ko n struierten Umweltbeschreibungen, deren Charaktere der al l gemeinen Literatur entlehnt sind. Am deutlichsten treten diese Komponenten hervor in ihren kommerziell erfolgre i chen, mehrfach aufgelegten und ständig besser und umfan g reicher werdenden Romanen
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