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Science Fiction Almanach 1981

Science Fiction Almanach 1981

Titel: Science Fiction Almanach 1981 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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nächsten Tag sein würde – heute nacht gehörte ich ihr.
    Und ich wußte plötzlich, welche Gefühle Männer versp ü ren, wenn sie angesichts des Todes lieben – und mein Schicksal war schlimmer als der Tod, denn ich würde we i terleben als gefühlloser Schatten, der durch kalte Tage und noch kältere Nächte wandelte. Wild, ungestüm und verzwe i felt versuchten wir uns an das Leben zu klammern, das in ein paar Stunden für uns vorbei sein würde. Als ich im Schein der aufgehenden Sonne auf Kylas nasses Gesicht hinabsah, war meine Bitterkeit verschwunden.
    Ich würde vielleicht für immer zu existieren aufhören und nur noch als Geist, den die Erinnerungen eines anderen Mannes hinwegspülten, bestehen bleiben – aber ich würde noch für diesen letzten Erinnerungsfunken ewig dankbar sein und noch in meiner Vorhölle zu schätzen wissen, daß es Menschen gab, die mich aus dem Nichts hatten hervortreten lassen, um das hier zu erfahren: die Tage der Kämpfe und der Liebe mit meinen Genossen, den rauhen Wind der Be r ge, der über mein Gesicht strich, und – als mein letztes Abenteuer – die warmen Lippen jener Frau in meinen A r men.
    Ich hatte in der kurzen Zeitspanne meines Lebens mehr erlebt als Jay Allison in all seinen steril-sauberen Jahren noch erleben würde. Ich hatte mein Leben gelebt. Ich mi ß gönnte ihm das seine nun nicht länger.
     
    Als wir am nächsten Nachmittag die ersten Ausläufer des kleinen Dorfes erreichten, wo man die Luftbrücke eingeric h tet hatte, stellten wir fest, daß die armseligen Unterkünfte nahezu verlassen waren. Weder gingen Frauen in den Str a ßen spazieren, noch lungerten Männer an den Bordsteinka n ten herum. Nicht ein einziges Kind spielte auf den staubigen Steinplatten.
    Regis sagte betrübt: „Es hat schon angefangen.“
    Er trat aus der Reihe und schritt auf den Eingang einer still daliegenden Hütte zu. Eine Minute später winkte er mir zu, und ich warf einen Blick hinein.
    Ich wünschte, ich hätte es nicht getan. Den Anblick werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen. Ein alter Mann, zwei junge Frauen und ein halbes Dutzend Kinder zwischen vier und fünfzehn Jahren lagen im Inneren. Der alte Mann, eines der Kinder und eine der jungen Frauen lagen sauber ausgerichtet auf dem Fußboden und regten sich nicht mehr. Sie waren in Leichentücher gehüllt, und ihre Gesichter w a ren nach darkovanischer Sitte mit grünen Zweigen bedeckt. Die andere junge Frau lag zusammengesunken neben der Feuerstelle, und ihr einfaches Kleid war über und über mit dem Schleim bedeckt, den sie im Tod erbrochen hatte. Die Kinder … Ich kann nicht einmal jetzt an sie denken, ohne Brechreiz zu verspüren. Eines, das noch sehr klein war, hatte sich, als die Frau zusammengebrochen war, auf ihren Armen befunden; es hatte sich ihrem Griff nur für einen kurzen A u genblick entwinden können. Die anderen befanden sich in einem unbeschreiblichen Zustand, und das Schlimmste da r an war, daß eines von ihnen sich noch schwach bewegte, obwohl jede Hilfe zu spät kommen mußte. Regis wandte sich tastend von der Tür ab und lehnte sich gegen die Wand. Seine Schultern zitterten, aber nicht, wie ich zuerst annahm, vor Wut, sondern in unsäglichem Schmerz. Tränen liefen über seine Hände und fielen in den Staub, und als ich seinen Arm nahm, um ihn beiseite zu führen, taumelte er und fiel gegen mich.
    Mit gebrochener, undeutlich krächzender Stimme sagte er: „Oh, ihr Götter! Jason … Diese Kinder, diese Kinder … Wenn Sie jemals daran zweifeln sollten, was Sie getan h a ben oder tun werden, denken Sie daran … Denken Sie da r an, daß Sie eine ganze Welt vor dieser Krankheit gerettet haben; daß Sie etwas taten, das nicht einmal den Hasturs zu tun vergönnt war!“
    Meine Kehle war wie zugeschnürt, und das lag nicht nur an der Verlegenheit, die ich empfand. „Warten Sie erst ei n mal ab, ob die Terraner überhaupt mit der Sache fertig we r den – und gehen Sie von der Türschwelle weg. Ich bin i m mun, aber Sie sind es nicht, verdammt noch mal.“ Dennoch mußte ich ihn mitziehen und von dem Haus wegführen wie ein Kind. Er hob den Kopf, sah mir ins Gesicht und sagte mit brennender Bestimmtheit: „Ich frage mich, ob Ihnen klar ist, daß ich mein Leben ein Dutzend Mal für das, was Sie für uns getan haben, hergegeben hätte.“
    Seine Worte stellten ein ungewöhnlich ernstgemeintes Lob dar, erzeugten in mir aber nur einen schwachen Stolz. Und dann, als wir in das Dorf selbst

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