Science Fiction Almanach 1981
geschehen? Warum verschaffte ihm ein derart geringfügiger Schmerz größere Pein als ein zerrissener Nerv? Forth beobachtete ihn, und Jay fragte irritiert: „Was ist?“
„Sie sind wirklich kalt wie ein Fisch, Jay.“
„Ich verstehe nicht, Sir.“
„Das können sie auch nicht“, murmelte Forth. „Ich moc h te Ihre unterdrückte Persönlichkeit komischerweise.“
Jays Mund verzog sich zu einem geringschätzigen Grinsen.
„Sie vielleicht“, sagte er und wandte sich schnell um. „Kommen Sie jetzt. Wenn ich an der Serumerzeugung mi t arbeiten soll, würde ich jetzt gern die Freiwilligen unters u chen, die gekommen sind, um Blut zu spenden, und mir die Papiere dieses Dr. Sowieso ansehen.“
Aber die jenseits der Fenster liegenden Gipfel der Berge fingen unerklärlicherweise seinen Blick ein und hielten ihn fest.
„Lächerlich“, sagte Jay Allison und kehrte an die Arbeit zurück.
8.
Vier Monate später standen Jay Allison und Randall Forth nebeneinander und schauten dem letzten der sich entferne n den Flugzeuge zu, die die Freiwilligen nach Carthon z u rückbrachten, von wo aus sie sich wieder in die Berge beg e ben würden.
„Ich hätte mit ihnen nach Carthon fliegen sollen“, sagte Jay nachdenklich. Forth registrierte, daß der hochgewachs e ne Mann die Berge anstarrte, und fragte sich, was hinter se i nen undurchsichtigen Gesten und seiner Versunkenheit ste c ken mochte.
„Sie haben genug getan, Jay“, sagte er dann. „Sie haben wirklich geschuftet wie ein Pferd. Legat Thurmond hat mir mitteilen lassen, daß Sie eine offizielle Belobigung erhalten und außerdem befördert werden sollen. Und damit ist das, was sie in der Waldläuferstadt alles zuwege brachten, nicht einmal abgedeckt.“ Er legte die Hand auf die Schulter seines Kollegen, aber Jay schüttelte sie unkonzentriert ab.
Während der ganzen Zeit der Serumsentwicklung hatte Jay unermüdlich und ohne sich Freizeit zu gönnen gearbe i tet. Er hatte kaum geschlafen, unentwegt vor sich hingebr ü tet und den sich in ihm ansammelnden Auswirkungen des Stresses hin und wieder dadurch Luft gemacht, daß er sich Wutausbrüche gestattete, nach denen er anschließend wieder gewissenhaft weiterarbeiten konnte. Er hatte die Waldläufer mit nahezu väterlicher Hingabe behandelt – aber stets aus der Ferne. Er hatte alles getan, was getan werden konnte, um zu garantieren, daß sie sich wohlfühlten, war ihnen aber so lange aus dem Weg gegangen, wie es die Forschungsarbeit erlaubte.
Wir haben ein gefährliches Spiel gespielt, dachte Forth. Jay Allison hat sich ein eigenes Leben aufgebaut, aber wir haben sein inneres Gleichgewicht zerstört. Haben wir ihn damit zum Untergang verurteilt? Natürlich ist er zu ersetzen, aber – verdammt, er wäre ein Verlust für uns! „Warum“, fragte er, „sind Sie nicht mit ihnen nach Carthon geflogen? Kendricks ist mitgeflogen, wie Sie wissen. Er hat bis zur letzten Minute mit Ihnen gerechnet.“
Jay gab keine Antwort. Er war Kendricks aus dem Weg gegangen, denn er war der einzige Zeuge seiner Dualität gewesen. Während der alptraumhaften Grübeleien über sein anderes Ich war der Rückzug vor denjenigen, die ihn als J a son kennengelernt hatten, allmählich zu einer Manie gewo r den. Einmal, als er in den unteren Stockwerken des Haup t quartiers auf Rafe Scott gestoßen war, hatte er sich in pan i scher Angst abgewandt und war wie ein Wahnsinniger durch Säle und Korridore gestürmt, nur um zu vermeiden, dem Mann von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen zu mü s sen.
Schließlich war er sogar vier Treppen hinaufgelaufen und hatte sich mit klopfendem Herzen und hämmernden Schl ä fen – wie ein Tier, das von Jägern verfolgt wurde – in se i nem Zimmer verkrochen.
Als sie sich in Forths Büro befanden, sagte Jay: „Wenn Sie mich eingeladen haben, um mir zu sagen, daß Sie meine Weigerung mißbilligen, noch einmal in die Hellers zu g e hen, dann …“
„Aber nein“, erwiderte Forth abwehrend, „ich erwarte e i nen Besucher. Regis Hastur hat mir die Nachricht überbri n gen lassen, daß er Sie sehen will. Falls Sie sich nicht an ihn erinnern sollten – er hat am Projekt Jason teilgenommen …“
„Ich erinnere mich“, sagte Jay dumpf, denn dieses Wissen war nahezu seine einzige klare Erinnerung: das unerwartete, alptraumähnliche Erwachen am Rande des Abgrunds, der nackte Körper der darkovanischen Frau, seine verletzte Hand – und über allem das viel zu gut aussehende Gesicht des
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