Science Fiction Almanach 1982
ihre Teile nun wieder funkeln und blitzen: diese vernickelten Hebel und Stangen und Schrauben, diese Stangen aus Elfenbein und vor allem diese schöngedrehten Wellen aus einer durchsichtigen Substanz –“
„Daß die nicht zerbrochen sind! – Es sieht doch aus wie Glas, nicht, Pierre?“
„Ja, es ist aber kein Glas! Sieh doch einmal, wie sie funkeln und flimmern, liebe Jeanne! Man könnte beinahe denken, sie seien aus lauter Licht und Sonnenschein gemacht – und nicht aus einem festen, irdischen Stoff –“
„Aber – was ist das für eine seltsame Maschine, Pierre?“
„– Ja, Liebste, – wenn ich das wüßte! Dann würde ich ja nicht Stunde für Stunde hier in der uralten Schmiede in der Kalksteinhöhle hocken und grübeln, sondern würde dir heute früh schon längst entgegengeeilt sein. Von Mütterchen wußte ich ja, daß du kommen würdest, und kannte ja auch deinen Weg zu uns – immer am Ufer der Dordogne entlang, bis an unsere Holzbrücke, nicht wahr, Liebling? – Aber – – ich weiß nicht, noch nicht, was diese vertrackte Maschine bedeuten soll! – Ich wollte eine Zeichnung von ihr anfertigen und sie an die Redaktion der „Science“ einschicken – vielleicht weiß man da eine Auskunft –“
„Aber sagtest du nicht selbst, sie sähe aus – halb wie ein Fahrrad und –“
„– halb wie ein Webstuhl – freilich. Hier ist ja auch ein Sitz, wie der Sattel eines Fahrrads – aber – die Räder fehlen, sind auch, wie die Konstruktion zeigt, nie vorhanden gewesen.“
„Und – du hast noch keinen Versuch gemacht, ob die Maschine geht – ob sie –“
„Nein, Liebste! Eher möchte ich all diese Wellen und Scheiben und Hebel nicht in Bewegung setzen, ehe ich mir nicht im Geiste über die ganze Konstruktion der Maschine klar geworden bin. Sie muß doch einen Zweck gehabt haben, zum Kuckuck! – Ehe du kamst, hatte ich übrigens einen Gedanken: ich glaubte einen Augenblick, das rätselhafte Ding sei die Gondel irgendeines unserer jetzigen modernen, lenkbaren Luftschiffe. Dafür spricht erstens ihr Fundort – auf dem Grunde des Meeres – wohin sie aus der Luft gestürzt sein mag, zweitens der Sattel und das räderlose Gestell; – dagegen spricht erstens der Mangel eines Motors – aber der könnte ja beim Absturz explodiert und losgerissen sein, obwohl sich an der Maschine nirgends bis auf ein paar verbogene Schienen die Spuren äußerer Gewalt zeigten – –“
„Und zweitens, Pierre?“ –
„Zweitens, liebe Jeanne, spricht dagegen die ganze diffizile Konstruktion, diese vielen Finessen in der Mechanik, dies Gewirr von Stangen und Walzen und Rollen und Scheiben – und nicht zuletzt – diese seltsam funkelnden Wellen aus Kristall –“
„Ja – aber, lieber Pierre – dann will ich doch lieber gleich wieder gehen und auf gelegenere Zeit wiederkommen –“
„Aber warum, meine kleine Jeanne?“ fragte Pierre, aufs neue den Arm um sie legend.
„Weil du gewiß noch viele Tage darüber grübeln wirst, was das kuriose Ding bedeuten soll, und – weil du dann gar keine Zeit übrig haben wirst für mich, deine Verlobte!“
„Aber – meine liebe kleine Jeanne! Ich verspreche dir –“
„Versprich nichts; ich kenne dich! Aber – einen Rat will ich dir doch noch geben, Pierre: Probieren geht über studieren! Grüble nicht länger, sondern – setz’ dich in den Sattel des Dinges und versuch’, ob du es von da aus nicht in Gang bekommst –“
„Dir zu Gefallen, Kleine! Also – aufgesessen!“
Und mit einem gewandten Satze schwang sich der junge Mann in den Sattel der Maschine.
„So – liebe Jeanne! Da saß’ ich auf meinem neuesten Steckenpferd – und was nun?“ –
Jeanne lachte nun doch, als sie ihren Pierre auf dem seltsamen Gestell reitend erblickte. –
„Ja – nun weiß ich auch nicht weiter zu raten, Liebster –“
„Halt einmal! – Was ist denn das für eine Art Hebel, den ich hier gerade mit der ausgestreckten Hand fassen kann? – –“
Und Pierre griff mit der einen Hand nach einer halbversteckten kleinen Stange und drückte sie zurück – bis zum Anschlag – –
Wie ein heftiger Schlag ging es durch die kleine Schmiede in der uralten Kalkhöhle des Dordogne-Tales. – Ein Luftwirbel erhob sich –
Mit einem Aufschrei, so gellend und furchtbar, daß ihn die alte Mutter Pierres in dem anmutigen Landhäuschen am Talrande hörte, sank Jeanne ohnmächtig nieder.
Als sie die Augen wieder aufschlug, lag sie im Arm der Mutter Pierres,
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