Science Fiction Almanach 1982
und teilnehmend standen die Nachbarn und Nachbarinnen des kleinen, südfranzösischen Ortes um sie her.
„Was ist denn geschehen, meine arme Jeanne?“ fragte die Greisin, ihr die Stirn streichelnd.
„– Wo ist Pierre, Mutter?“
„Pierre? – Ja, mein Gott, wir wissen es nicht! Hast du ihn nicht hier in der Schmiede gefunden, Töchterchen?“
„Ja, ich fand ihn – aber dann –“
Und sie erzählte in heftiger Aufregung das Geschehene bis zu dem Moment, wo Pierre verschwand.
„Aber wie ist denn das möglich? Wie ist denn das möglich? Ein Mensch kann doch nicht verschwinden, als ob ihn die Erde verschluckt hätte!“
– Immer größer wurde die Verwunderung und das Kopfschütteln der Umstehenden.
„Liebe Jeanne, besinne dich noch einmal genau! Du erzähltest, Pierre habe sich auf die Maschine gesetzt und habe irgendeinen Hebel daran bewegt – und dann – –?“
„Dann? – Ja – dann – –“
Aufs neue schluchzte sie und barg das Gesicht im Schöße der Mutter.
„Dann, liebe Jeanne –?“
„Dann – dann! O, es ist gräßlich! Dann wurde seine Gestalt plötzlich durchsichtig wie ein Schemen, immer durchsichtiger, immer flüchtiger: ich sah nur noch einen Wirbel von glänzenden Metallteilen – eine heftige Luftströmung traf mein Gesicht – eine Wolke aufgewirbelten Staubes umhüllte mich – ich schrie auf – weiter kann ich nichts sagen –“
Sie weinte aufs neue fassungslos.
Kopfschüttelnd entfernten sich einige der Umstehenden und holten den Bürgermeister des Ortes.
Ein Protokoll wurde aufgenommen. Der Bürgermeister ließ die Schmiede in der alten Kalksteinhöhle genau untersuchen. Zoll für Zoll der Wände und des Fußbodens wurde abgeklopft und geprüft. –
Nirgends fand sich etwas, das den rätselhaften Vorfall erklären konnte. Die Hinterwand der Höhle lief in einen langen, schmalen Gang aus, tief hinein in den Kalkfelsen, am Ende verschüttet von herabgebröckeltem Gestein. –
Aber auch hier keine Spur – –
– Pierre Maurignac war und blieb verschwunden!
Am Abend desselben Tages berichtete schon die „Agence Havas“ in einem ausführlichen Telegramm über das seltsame Ereignis, und von ihr übernahmen die meisten größeren Zeitungen des In- und Auslandes die Notiz. Es war diesmal nicht die Zeit der „Enten“ oder der „Hundstage“, und so wurde der merkwürdige Vorfall mehr oder weniger wissenschaftlich ernst glossiert. Eine eigentliche zureichende Erklärung vermochte aber keines der Tagesblätter für das seltsame Verschwinden des jungen Mannes zu geben. – Am meisten Wahrscheinlichkeit schien noch ein Erklärungsversuch der „Tägl. Rundschau“ zu haben. Der Verfasser dieses Artikels versuchte das Verschwinden Pierre Maurignacs in der Hauptsache mit einem pathologischen Zustande der einzigen Zeugin Jeanne Dauvergne in Zusammenhang zu bringen. Er nahm dabei an, daß das junge Mädchen von ihrem Verlobten lange Zeit getrennt und infolgedessen seelisch aufgeregt gewesen sei und den ganzen Vorgang in der Höhlenschmiede nur als eine Art Halluzination erlebt habe. Die vorhergehende Erzählung der Mutter Pierres von der seltsamen Maschine habe dieser Autosuggestion den Boden geebnet. – Allerdings sei ja mit dieser Auffassung noch immer nicht das Verschwinden des jungen Maurignac objektiv erklärt; – aber da die ersten telegraphischen Nachrichten sofort nach dem Vorfall in die Presse gelangt seien, so müsse doch erst festgestellt werden, ob Monsieur Pierre nicht auf eine weniger wunderbare Weise den Ort verlassen habe. Vielleicht bringe die Zukunft hierfür eine Erklärung; – vielleicht – die Erzählung Jeanne Dauvergnes einmal einen Augenblick als objektive Betrachtung angenommen – sei die rätselhafte Maschinerie gar eine – Flugmaschine gewesen, nach dem Prinzip: „Schwerer als die Luft“ gebaut – (man wisse ja eigentlich gar nichts genaueres über die Konstruktion als die unvollkommenen Angaben der Mutter und des Mädchens) – und Pierre Maurignac sei mit ihm vielleicht in die Luft geflogen – verunglückt vielleicht – –
Der Bericht schloß mit einem „Vielleicht“ und konnte als schlüssige Erklärung auch noch nicht gelten.
– In dem kleinen Landhäuschen am Ufer der Dordogne aber saßen Mutter Maurignac und Jeanne Dauvergne und dachten des Verschwundenen in tiefer Trauer.
Da pochte es an der Pforte des Hauses – tief in der Nacht.
Die alte Dienerin öffnete.
„Ein Telegramm an Mutter Maurignac!“ rief der
Weitere Kostenlose Bücher