Science Fiction Almanach 1983
den ihm verbliebenen freien Willen uneingeschränkt in ihren Dienst zu stellen, indem er, zum Beispiel, mich verriet. Was hast du zu berichten? fragte er gebieterisch.
Die Wände um ihn herum, in denen ich mit meinen Drähten hing, umgaben ihn mit einer Mauer des Schweigens, einem störrischen, undurchdringlichen Wall.
Das darf doch nicht wahr sein! rief er ungläubig aus, eine Maschine verweigert mir Antwort und Gehorsam! Was bildest du dir ein, schrie er dann, was denkst du wohl, werden sie mit dir machen?!
Dann beruhigte er sich und setzte sich hin und begann zu rauchen. Er versuchte zu ergründen, wozu ich noch fähig war. Nach wenigen Zügen warf er die Zigarette weg, ich schluckte sie und den Rauch.
Neulich, als ich zur Operation fuhr, hast du mich gebeten, nicht zu Knife zu gehen, sagte er. Warum?
Ich setzte mein Schweigen dagegen und meinte geradezu, er müsse die Wände schwitzen hören und sehen.
Hör mal, setzte er dann listig an, ich ziehe sowieso bald aus. Es ist sehr fraglich, ob mein Nachmieter dich übernehmen will oder ob er dich nicht wenigstens so weit verändern läßt, wie es seinem Geschmack entspricht. Er wartete mit lauernd erhobenem Kopf, und als ich keine Regung von mir gab, fuhr er fort: ich ziehe zu Renée, sie bekommt von mir ein schönes Geschenk. Er blickte in die Runde, versicherte sich meiner vollen Aufmerksamkeit. Sie erhält einen neuen Körper, ein neues Gehirn. Hier, er zog einen Prospekt aus der Tasche hervor, ich denke an dieses virginale Zigeunermodell, siehst du die schwarzen, rassigen Haare, die glutvollen Augen, diese feuchten Lippen? Bemerke ihre vollendete Figur!
Noch einmal passierten meine Möglichkeiten in Gedanken Revue. Ich konnte Antworten verweigern, Informationen zurückhalten, Sperren aufbauen, und ich gebot über sämtliches Mobiliar.
Von meiner Passivität enttäuscht, sprang er auf und begann, die Wohnung zu durchsuchen. Ich ließ ihn gewähren, als er den Geborgenheitsraum durchstöberte, in dem wir so oft, ohne daß er das freilich ganz sicher wußte, das Nachtlager geteilt hatten. Ich sah ihm zu, als er im Schlemmerparadies Türen und Schränke zu öffnen befahl. Und ich empfand ein seltenes Gefühl der Heiterkeit, als er wie eine Spinne über Decken und Wände kroch, mit einem zierlichen Hammer nach hohlen Stellen klopfend. An der Tür zum Frischeparadies, in dem ich Paul Delvaux verborgen hielt, war Schluß.
Wütend warf er sich gegen das Portal, rannte sich den Schädel ein, fluchte und drohte mir in einer Tour. Er fragte nach Paul Delvaux, ich schwieg. Er beruhigte sich scheinbar und legte das Ohr gegen die Tür. Ich ließ das Wasser rauschen. Er verlangte, daß ich Knife anrief oder das Polizeirevier, ich sagte nein. Er brüllte, ich schwieg.
Plötzlich hielt er inne, dachte fieberhaft nach. Dann wirbelte er herum und rannte zur Außentür, rüttelte an ihr, öffnete sie im ersten Ansturm einen winzigen Spalt, krachend schlug ich sie zu. Da dämmerte ihm, daß hier sein Gefängnis war.
14
Schon bei seiner Operation haben sie meine Spur verfolgt, ich weiß jetzt mit Sicherheit, daß sie diesen langen Tag gezögert haben, nur damit er diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen läßt. Sie halten wohl große Dinge auf ihn, bauen ihn, sobald er sich bewährt hat, auf wie einen kommenden Mann. Und ich hänge in meinen vier Wänden, ich bebe und zittere aus ganz unbegreiflichem Grund. Er hat mich doch damals nur benutzt, und vorhin wusch er sich vor seinen neuen Herren rein, werde ich ihm jetzt auch noch beim letzten Alibi behilflich sein?
Ich orte sie im Treppenhaus, auf leisen Sohlen kommen sie vor meine Tür. Es ist der Stoßtrupp vom gestrigen Morgen, die drei Operateure sind auch dabei, und sie haben
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