Science Fiction Almanach 1983
schließen. Die SF-Autoren der fünfziger Jahre orientierten sich an den Zuständen der fünfziger Jahre: an den Hoffnungen, dem materiellen Wohlbefinden, dem Antikommunismus, der Furcht vor der Atombombe, der Ungewißheit angesichts der Unabhängigkeitsbewegungen in Afrika und Asien.
Die deutsche SF der Fünfziger findet sich im Leihbuch. Die einzige direkte Konkurrenz damals, die Hefte, druckten jahrelang überwiegend Leihbücher ab (s. „Würdigung“). Die Dominanz der angloamerikanischen SF auf dem deutschen Markt zeigte ihre ersten Anzeichen, benötigte aber noch einige Jahre, um voll durchzuschlagen (eigentlich erst mit dem Aufkommen der Taschenbücher).
Ist die Leihbuch-SF nun ein Sonderfall, ein Spezialgenre? Mit Sicherheit nicht. Man findet in ihr die gleichen Plots, Abenteuer und Szenarien wie überall in der SF, die bis Mitte der sechziger Jahre international gang und gäbe war (und aus den Pulps entstanden war). Das Besondere an der Leihbuch-SF ist ihre Standardisierung bzw. Beschränkung auf eine geschlossene Themenpalette, die die Unflexibilität offenbart, an der dieses Medium schließlich scheitern sollte.
Sechs Grundthemen sind auszumachen: Abenteuer im All – Krieg – Katastrophen – Agenten, Bösewichter und Supermenschen – Wunderbare Zukunft – Mythisches und Kosmisches. Vielfalt entsteht durch gewisse Variationen oder Kombinationen und ein Instrumentarium an Hilfsmitteln: diverse Protagonistentypen, politische Zustände auf der Erde oder im All, kosmische Bedrohungen von unterschiedlichem Ausmaß, Rettungsaktionen von unerwarteter Seite („deus ex machina“) und und und. Beim eigentlichen Handlungsablauf reduziert sich die Vielfalt auf einige wenige Grundformen. Nagl erklärt, daß sich das Genre „auf phantastisch-technisch aufgeladene Kriminalromane oder Weltraumromane beschränkt …“ {22} . Wir möchten dies variieren und um den ‚Krieg’ erweitern. Jedes in einem SF-Leihbuch auftauchende Problem wird entweder durch einen Agenten, eine kriegerische Auseinandersetzung oder technischen Wagemut gelöst. Neben der Auseinandersetzung besteht das Primat der Weltraumfahrt. Bis auf einen kleinen Bruchteil finden alle Geschichten mal mehr und mal weniger im Kosmos statt. Die Faszination des Raumfluges, der kosmischen Weite und der Exotik des Alls waren wesentliche Bestandteile des genreeigenen Reizes. Man sah sich in der Tradition von Hans Dominik. So heißt es im Vorwort zu H. Eggers’ Der Wettlauf mit dem Planeten (Anker, 1950):
„Alle die Leser unter Ihnen …, welche sich zu der Gemeinschaft der Dominik-Freunde zählen, werden das Buch von Eggers mit Skepsis zur Hand nehmen …“
Und etwas weiter:
„Hans Dominik, der Verfasser zahlreicher Zukunftsromane, ist tot. Noch ist er ein menschlicher Verlust für uns. Dominik war neben einem genialen Erzähler auch ein großer Ingenieur. Und das hat unser Autor Herbert Eggers mit ihm gemein.“
THEMEN UND AUTOREN
„Marco Janus stellt einige Ansprüche an seine Leser.“
(Aus Inhaltsangabe zu: M. Janus, Der Stern der Väter; Iltis, 1959)
In Ermangelung neuer Autoren bekamen in den ersten Nachkriegsjahren auch erfolgreiche Autoren aus der Zeit des Dritten Reiches wieder Arbeit. Sie legten sich überwiegend, um einen besseren und unverdächtigeren Wiedereinstieg in den Markt zu bekommen, neue und/oder anglisierte Pseudonyme zu: Paul Alfred Müller etwa wurde zu „Ive Steen“, Kurt Roecken zu „Henry Walter“ und „C. V. Rock“ oder Axel Berger zu „G. Barring“. Bis weit in die fünfziger Jahre
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