Science Fiction Almanach 1983
Rationale, das mathematisch Erfaßbare konzentrierte.
Lohnender, weil farbiger und menschlicher, ist da ein Werk von Ch. Reiners, Experiment mit Alf (Bewin, 1967). Dieser Alf erhält eine Münze, die zur Stabilisierung des „zwischendimensionalen Energiehaushalts“ von entscheidender Bedeutung ist. Alf tritt eine Reise durch die Dimensionen an, die sich natürlich in ihrer Exotik nicht radikal von dem unterscheidet, was andere in der kleineren Galaxis erleben. Dennoch handelt es sich hier um eines der wenigen späteren SF-Leihbücher, die in Plot und Charakterisierung Ansätze zu intensiverer Auseinandersetzung, also zu einem Reagieren auf veränderte Lesegewohnheiten, erkennen lassen. Mehr hat auch A. Jeffers in seinem Raumschiff Wega (Hönne, 1956) zu bieten. Auch hier gibt es eine Reise durch die Galaxis. Doch statt um die Brechung von Weiten- und Geschwindigkeitsrekorden bemüht sich Jeffers, menschliche Intrigen und Charakterschwächen darzustellen, die während einer langen Fahrt durch das All zwangsläufig an Bord entstehen. Leider ist der Versuch nicht so weit gelungen, daß der Roman auch heute noch ein Leseerlebnis wäre. Die star ke Klischeehaftigkeit der damaligen Personencharakterisierungen konnte Jeffers nur zum Teil abstreifen.
Der immer wieder bemühte Typenkatalog jener Jahre war nicht auf das SF-Leihbuch beschränkt. Wer sich heute im ZDF die (soundsovielte) Wiederholung eines Edgar-Wallace-Filmes ansieht oder einen SF-Film aus den Fünfzigern (übrigens auch noch in der TV-Serie Raumpatrouille aufgewärmt), wird die folgenden Typen wiederfinden: den mutigen, nie aufgebenden Journalisten; den schneidigen, dickköpfigen Militär (vor allem den Unteroffizier und den General); den Millionärssohn, der etwas ‚Richtiges’ leisten will; den Wissenschaftler, der, leicht bis schwer vertrottelt, permanent an neuen Formeln arbeitet; die Frau, die (nicht immer) etwas kann, aber alles Wissen etc. fröhlich über Bord wirft, wenn einer markig-männlich daher stolziert kommt, um sie zu heiraten; den Einfältigen, der nur dazu geschaffen wurde, den Helden in noch strahlenderem Glanz erscheinen zu lassen, und höchstens dazu in der Lage ist, ein paar Außerirdische abzuknallen; den Bürger, der dauernd Angst vor den bösen Feinden hat und von den Militärs gerettet werden muß; schließlich den Ingenieur (oft ein Deutscher), der aus den simpelsten Hilfsmitteln in der größten Not einen Atomkonverter bauen kann. Diese Typen sind unveränderlich, starr und eindimensional. Natürlich passen sie so auch in den Plot des normalen Romans. Denn die Gefahren, die da aus dem All auftauchen, bedürfen abrufbereiter Helden, die nicht erst lange überlegen müssen, sondern in bestimmter Weise (und nur so) darauf reagieren können. Die Bedrohungen selbst sind ja auch grell und klotzig, da bleibt für ein Abwägen, für eine Diskussion über mögliche zu treffende Maßnahmen im Grunde keine Zeit.
Diese Schablonen-Charaktere resultieren sicher auch aus den bis vor einigen Jahren mangelhaften psychologischen Kenntnissen in der Mehrheit der Bevölkerung (und die Leihbuch-Autoren stammten aus dieser Bevölkerungsmehrheit). Erst Mitte der sechziger Jahre erlebten die Freud, Reich, Adler, Jung usw. eine Wiederentdeckung im Zuge der studentischen Unruhen. Auf einen knappen Nenner gebracht: Was eine Neurose ist, weiß heute eigentlich jeder, während der Psychoanalyse bis vor anderthalb Jahrzehnten noch etwas sehr Geheimnisvolles anzuhaften schien. Anders ausge drückt, der Held (der männliche, martialische, auch
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