Science Fiction Almanach 1983
Gerlinde wissen.
„Klar kann frau das.“ Sie öffnete den Verschluß der ersten Rumflasche und füllte ihre Milchtüte auf. Dann drückte sie einen Knopf. Von einer Sekunde zur anderen waren die Glaswände schwarz wie dicke Tinte. Ein Klicken folgte. „Die Tür Verriegelung“, erklärte die Blondine ungefragt.
Alf begann innerlich zu frohlocken.
Das ist ja phantastisch, wie das alles klappt, dachte er bewundernd. Hätte ich diese Qualitäten doch nur eher in mir entdeckt. Wer weiß, vielleicht wäre dann alles anders gelaufen.
„Himmel und Hölle!“ brüllte Robby plötzlich. Er stand vor dem Telefax, der leise ratternd die neuesten Nachrichten der in- und ausländischen Presseagenturen auf ein Endlosblatt druckte. „Heilbronn steht unter Quarantäne, Alf!“
* * * In der Tat war es Onnedecker nach einem schlitzohrigen Täuschungsmanöver gelungen, den gleichfalls infizierten Bewohnern und Gästen von Bernie’s Big Pub zu entrinnen und humpelnd das hauseigene Münzvideofon zu erreichen. Die schwarzbraune Knolle an seiner Wade platzte bei einer besonders heftigen Bewegung auf, und filigrane Sporenschwärme drifteten durch das absonderlich duftende Foyer, durch das der Lärm des Braunheimer Marsches hallte. Nachdem der kompetente Genetiker mit zittrigen Fingern ein Zweimarkstück aus der Geheimtasche im Innenfutter seines Baumwollslips geholt und in den Zahlschlitz geworfen hatte, wählte er die Geheimnummer des Heilbronner Rayer-Laboratoriums. Auf dem handtellergroßen Bildschirm des Videofons wurde das Gesicht seines Vertreters sichtbar, eines umgeschulten ehemaligen Süß Warenfabrikanten, der sich für eine unbekannte Summe einen Doktortitel der Universität von Obervolta gekauft hatte. Onnedecker wußte davon, und dieses Wissen schuf eine intime Spannung zwischen den beiden Männern. „Treiben Sie sich schon wieder in diesem unappetitlichen Bordell herum, Kurt?“ fragte der Vertreter peinlich berührt und rümpfte die Nase. „In Ihrem fortgeschrittenen Alter sollten Sie …“ Er wurde von dem genetischen Professor unterbrochen. „Reden Sie keinen Stuß, Knut Schmidt-Meppen“, sagte er finster. „Geben Sie statt dessen Großalarm. Ein Gen-GAU. Heilbronn muß umgehend abgeriegelt werden, verstanden? Und alarmieren Sie die ABC-Züge der Bundeswehr und den Notfallstab der Bundesärztekammer. Eine Katastrophe!“ Knut Schmidt-Meppen riß erbleichend beide Augen auf. „KMK-37!“ stieß er hervor. „Ich wußte doch, daß es eines Tages zu einer Panne kommen würde.“ So also begann die Blockade von Heilbronn. * * *
Robby fuhr sich mit den Fingern durch den wirren Haarschopf. „Eine Spore ist aus den Giftküchen der Rayer-Chemie entwichen“, informierte er Alf. „Eine vermehrungsfreudige genetische Neuheit von erstaunlicher Aggressivität, die zur Verknollung führen soll – weiß der Teufel, was das ist. Vermutlich ein biologischer Kampfstoff. Alle Zu- und Ausfahrtsstraßen Heilbronns sind von Einheiten der Bundeswehr und militanten Freiwilligen der Lutherisch-Feinsinnigen Synode besetzt. Panik. Grauen. Schulfrei für alle Kinder.“
Das, erkannte Alf fröstelnd, sprengte die traditionellen Dimensionen seiner Anti-Atomwaffen-Kampagne. Da war ihm das Herz gebrochen angesichts des ungeheuren Potentials an nuklearen Raketen auf dem Boden der Republik, und die moderne Genetik hatte mit ihren faustischen Experimenten dem Sortiment der Massenvernichtungsmittel bereits eine neue Qualität verliehen.
* * * Knut Schmidt-Meppen war über diesen Komplex schon seit langem informiert. Sein plötzlicher Tod
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