Science Fiction Almanach 1983
sich neben Tessa vorbei. „Die Girls würden mich vom Kliff stürzen, mit Hirnschockpillen traktieren! Ich werde schweigen wie tausend Fische!“ Ihr schoß durch den Sinn, daß dieser Vergleich nach Mujas morgendlichem Exkurs über die lautgebenden Wasserbewohner hinkte – wie alle Vergleiche. Mit plötzlichem Impuls packte sie Tessa an beiden Armen und begann sie zu schütteln. „Wer sagt denn, daß ich dir überhaupt glaube?!“
„Ich werde es euch beweisen!“
„Das bist du mir auch schuldig!“ Tyras Hände fielen kraftlos herab.
„Dann mußt du das geheime Treffen für mich arrangieren.“
„Aber ich weiß doch im Moment gar nicht, wo mir der Kopf steht, Tessa.“
„Noch sitzt er an der richtigen Stelle. Aber wenn du nicht auf der Hut bist, Mädchen, gibt man ihn eines Tages zur Ausschlachtung frei, zum Kannibalisieren, wie es in der Fachsprache heißt. Eine Niere und ein Auge bin ich bereits los.“
Wie aus dem Boden gewachsen, stand Jill neben ihnen. Hatte sie die erregte Auseinandersetzung unbemerkt mitgehört?
„Ach, da bist du ja, Jill!“ Tessa schien nicht weiter beunruhigt.
„Na, hat alles geklappt?“ fragte die große blonde Frau mit dem straff nach hinten gekämmten Haar, das in einer Innenrolle endete. Sie trug die gleiche herbstfarbene Kombination wie Tessa. Und über der Brust die gleiche runde Plakette der Weltpokal-Haiangler.
„Daß ich auf die Insel zurückkehren konnte, verdanke ich nur Jill“, betonte Tessa.
„Und meinem Bruder Sven. Aber das erzählen wir Tyra ein andermal“, ergänzte Jill Larsson.
„Wärst du bloß nie auf die Insel zurückgekommen“, würgte Tyra mit tränenerstickter Stimme hervor und lief zwischen den beiden Frauen in Richtung Felswatt, wobei sie eine große, schwarze Strandschnecke zertrat, deren Gehäuse grausam knirschte.
„Tyra! Du wolltest mir doch helfen! Du hast es versprochen!“ hörte sie die Freundin hinter sich herrufen. Aber sie stolperte weiter. „Wärst du bloß nicht zurückgekommen“, schluchzte sie immer wieder. Das übliche Kreischen der Möwen drang plötzlich wie Spott- und Hohngelächter an ihr Ohr.
Tyra hatte sich geschickt vor dem gemeinsamen Mittagessen gedrückt. Nun hockte sie mit zwei ihrer drei Wohngenossinnen im Aufenthaltstrakt. Gekrümmte Wände galten als der letzte Schrei. Das Leben und Hausen in Würfel- oder Quaderräumen wurde als unmodern, ja sogar als aggressionsfordernd angesehen, VORWÄRTS ZUR NATUR hieß das neue Lebensmotto, dem sich alle Aktiv-Kurlauberinnen freiwillig unterworfen hatten, VORWÄRTS ZUR NATUR hieß aber zugleich auch Rückbesinnung auf Urformen. Das von Zwischenwänden, von Septen, in einzelne Kammern unterteilte Gehäuse gewisser Kopffüßler – sie existierten bereits vor fünfundsechzig Millionen Jahren – diente der neuen Architektur als Modell für das Wohnspiralenprinzip.
Ohne es zu merken, pfiff Tyra leise das Spieluhrmotiv vor sich hin. Um ihr den Talisman auszuhändigen, war Jill Larsson, die Haifischjägerin, die Wettanglerin mit dem kühlen Gesicht einer Marmorstatue, zu vorsichtig gewesen.
Myra mokierte sich über das Gepfeife. „Du leidest an einem hörbaren Stimmungsdefizit. Steck uns gefälligst nicht an!“
„Soll ich für uns alle süßen Safrantee machen?“ erkundigte sich Chalila lebhaft.
„Unser Küken ist heute wie eine Mietmutter zu uns!“
„Erzähl weiter, Muja. Ist das wahr, daß bis 1990 hier nur Oldtimer gekürt haben? Nur alte Leute?“
„Sie waren mindestens doppelt so alt wie wir. Auch kamen dauernd Schiffe angefahren.“
„Du meinst die Hovercraft-Jumbos?“
Muja schüttelte den Kopf. „Nein, ganz gewöhnliche Pötte, weiße
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