Science Fiction Almanach 1983
sagen, was ich herausgefunden habe. Je mehr von uns es wissen, desto besser für uns alle. Eine ganze Wohnspirale kann man nicht zum Schweigen bringen.“ Tessas Stimme hallte durch die alte Hummerhöhle am Nordhorn. Tyra war es gelungen, das Treffen zu organisieren.
„Du willst uns bloß als Rückendeckung benutzen!“ Muja zog die Schultern hoch und vergrub ihre Hände in den schrägen Taschen ihres Kapuzen-Blousons. Auch ihre drei Gefährtinnen trugen dieses Uniformstück mit dem flotten Steppmuster.
„Wenn es euch Spaß macht, dann laßt euch getrost kannibalisieren. Ich will nur, daß ihr es aus freiem Willen tut. Und daß man euch und alle anderen Impf Schwestern nicht länger belügt!“ Tessa versuchte die Mädchen aufzurütteln. „Sonst heißt es demnächst: durch Ausschlachtung zum Idealgewicht.“
„Da gehe ich lieber auf eine Hungerfarm“, platzte das Küken heraus, das Tessa als jüngstes Mitglied vorgestellt worden war.
„Und wenn das alles gar nicht wahr ist, wenn du uns belügst, Tessa?“
„Aber Muja, was hätte ich denn davon? Denkt doch einmal nach! Abgesehen vom Herzen hat uns die Natur sicherheitshalber von allen wichtigen Organen zwei verpaßt. Weshalb sollten wir also nicht ein Exemplar abgeben, wenn sich damit einjähriger Aktiv-Kurlaub finanzieren läßt?“
Laserma runzelte die Stirn. „Was hat denn das damit zu tun?“
Tessa rückte ihre Augenklappe zurecht. „Seid ihr wirklich so naiv? Weil unsere sogenannte Lebensverwirklichungsprämie das Spenderhonorar ist und weil das ganze besorgte Getue um unsere Gesundheit, die hundert Body-Tüvs und Impforgien nur den einen Sinn verfolgen, nämlich die Verträglichkeit unserer Antigene zu gewährleisten, um die Gefahren der Gewebeabweisung zu bannen.“
„Immunbiologisch durchaus logisch“, ließ sich Tyra vernehmen.
„Und das Finale?“ wollte Chalila wissen.
„Das von euch so ersehnte Finale bedeutet nichts anderes als den ersten Schnitt in euer warmes, lebendiges Fleisch. Ihr braucht keine Angst zu haben, Laser-Skalpelle schneiden sanft. Das einzige, was ihr fürchten müßt, sind die Lügen, die man euch auftischt!“ Einen Moment lang lehnte sich Tessa erschöpft gegen die Höhlen wand.
„Und unsere Ausbildung am elektronischen Entfernungsmesser, am Ultraschall-Umweltzeichner? Wozu soll das alles gut sein?“ Nervös strich sich Laserma die widerspenstigen Locken aus der Stirne.
„Das gehört zur Humanvorsorge“, erläuterte Tessa, „falls eine Transplantin wie ich durch eine Blitz-Spendenverordnung auch ihr zweites Auge einbüßt. Damit wir als Blinde mit Anstand durch die Gegend tappen, versteht ihr? Und nirgendwo anecken!“
Das Küken begann zu schluchzen.
„Tränen sind verboten, Chalila“, schnauzte Muja und wandte sich an Tessa. „Wer beweist uns, daß du nicht einen ganz gewöhnlichen Unfall gehabt hast, der eine Nierenoperation notwendig machte?“
Tessa lachte bitter auf. „Dasselbe habe ich zuerst auch geglaubt. Aber eines Morgens trat eine Frau an mein Klinikbett und bedankte sich bei mir.“
„Warum hat sie sich bedankt?“
„Ich war genauso erstaunt wie du Laserma! ‚Ich habe einen Unfall gehabt’, sagte ich. – Wollt ihr das Replay hören? Ich kann es euch nicht in VIDEO zeigen, aber die Frau hat unser Gespräch auf einer Tonlinse gespeichert. Ich spiele es euch auf meinem Armbandrecorder vor, wenn ihr wollt.“
Die vier Mädchen rückten wie eine Herde verängstigter Schafe zusammen.
Auf der Replayszene hörte man Tessa deutlich sagen: „Ich habe einen Unfall gehabt. Was gibt es da zu danken? Ich bin es, die den Ärzten danken muß.“
Jill Larsson antwortete: „Man hat Ihnen eine Niere
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