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Science Fiction Almanach 1983

Science Fiction Almanach 1983

Titel: Science Fiction Almanach 1983 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Auch ein Don­ner­keil, der stark ab­ge­roll­te Sta­chel ei­nes Be­lem­ni­ten, ei­nes Tin­ten­fi­sches, zähl­te zu den be­lieb­ten Fund­stücken.
    Ty­ra fuhr mit dem Schnei­lift ins Ober­land, kreuz­te auf kür­zes­tem We­ge, am Leucht­turm vor­bei, die In­sel­brei­te bis zum Falm und stieg die schma­le Wen­del­trep­pe hin­ab, de­ren Be­tre­ten bei Stra­fe ver­bo­ten war und nur den Hum­mer­zucht-Auf­se­hern vor­be­hal­ten blei­ben soll­te. Vier­zig Me­ter Hö­hen­un­ter­schied in ei­ner en­gen Spi­ra­le zu über­win­den, mach­te schwin­de­lig. Doch Ty­ra biß die Zäh­ne zu­sam­men. Keu­chend klet­ter­te sie über Hal­den von Ver­wit­te­rungs­schutt, die sich hin­ter den Über­lauf­mau­ern an­ge­staut hat­ten, er­reich­te die tang­über­la­ger­ten Klip­pen – der Al­gen­be­lag er­wies sich als ge­fähr­lich rut­schig – und ent­deck­te ne­ben ei­nem et­wa zwei Me­ter ho­hen Fels­kopf ei­ne schma­le Mäd­chen­ge­stalt in Stie­feln, Ho­sen und ei­nem herbst­far­be­nen Par­ka mit Ka­pu­ze. Hät­te die Ge­stalt nicht kurz den Arm zu ei­nem Win­ken er­ho­ben, hät­te sie sie kaum ent­deckt, denn vor dem ro­ten Bunt­sand­stein nahm sich ih­re rostro­te Be­klei­dung wie ein Tarn­an­zug aus.
    Ty­ra stapf­te auf das Mäd­chen zu, das sei­ne Ka­pu­ze zu­rück­schlug. Es trug ei­ne dun­kel­grü­ne Au­gen­klap­pe und ei­ne asym­me­tri­sche, sport­li­che Kurz­haar­fri­sur.
    „Er­kennst du mich nicht?“
    „Du bist so groß wie Tes­sa und so schlank wie sie. Du hast den­sel­ben Mund wie sie, die­sel­be Na­se und die­sel­be Stirn.“
    „Ei­ne gan­ze Men­ge.“
    „Tes­sa ließ ihr lan­ges Haar am liebs­ten im Wind flat­tern.“
    „Ich muß­te es ab­schnei­den las­sen.“
    „Du bist es – und du bist es nicht. Tes­sa hat­te bern­stein­brau­ne Au­gen.“
    „Ich ha­be nur noch ei­nes.“
    Ty­ra ent­schul­dig­te sich. Ihr Herz klopf­te zum Zer­sprin­gen. „Wes­halb ist Jill nicht da?“ Und was soll­te die Pla­ket­te für einen in­ter­na­tio­na­len World-Cup der Hai-Ang­ler? Tes­sa hat­te sich nie für An­geln und schon gar nicht für Hai­fi­sche in­ter­es­siert.
    „Wahr­schein­lich woll­te sie uns Zeit für un­ser Wie­der­se­hen las­sen“, sag­te das Mäd­chen, und die Stim­me klang Ty­ra so ver­traut, wie nur Tes­sas Stim­me klin­gen konn­te.
    „Die Zeit ist, was ihr seid. Und wir sind, was die Zeit. Nur daß ihr we­ni­ger noch, als was die Zeit ist, seid.“
    Tes­sa vollen­de­te den Vier­zei­ler, oh­ne zu zö­gern: „Ach, daß doch je­ne Zeit, die oh­ne Zeit ist, käme – und uns aus die­ser Zeit in ih­re Zei­ten näh­me.“
    „Die­se Wor­te schrieb Paul Flem­ming, der 1640 …“
    „Ein­und­drei­ßig­jäh­rig verstarb“, un­ter­brach Tes­sa la­chend. „Mu­ja wür­de sa­gen: Ach, du ir­rer Glo­bus! Das war ja vor 359 Jah­ren. Daß sich dar­an noch je­mand er­in­nern kann?!“
    Plötz­lich fie­len sich die bei­den Mäd­chen in die Ar­me.
    „Ver­zeih, Tes­sa, ich hat­te sol­che Angst.“
    „Ich ha­be sie im­mer noch. Der Ko­dex ver­langt, daß kei­ne Fi­na­lis­tin nach Ab­schluß der Ak­tiv­kur auf die In­sel zu­rück­kehrt. Ich ha­be mei­nen Zwi­schen­na­men ab­ge­legt. Ich bin Tes­sa – und ich bin es nicht!“
    „Du hast al­so das Fi­na­le er­reicht? War es auf­re­gend?“
    „Toll, tol­ler, am tolls­ten. Bei­na­he töd­lich.“ Tes­sa zog Ty­ra mit sich. In ei­ner wind­ge­schütz­ten Hohl­keh­le hock­ten sie sich dicht ne­ben­ein­an­der, den Rücken ge­gen die Fels­wand ge­stemmt.
    „Dann hat­test du al­so wirk­lich einen Un­fall? Und die Au­gen­klap­pe ist nicht bloß zur Tar­nung?“
    „Sie ha­ben mir ein Au­ge und ei­ne Nie­re her­aus­ge­schnit­ten. Zu­min­dest für den An­fang.“
    „Was soll das hei­ßen? Was ist ge­sche­hen?“
    „Sie ha­ben et­was Ähn­li­ches ge­macht wie in un­se­rem Lieb­lings­ge­dicht. Sie ha­ben mir die Zeit ge­nom­men und ei­ne an­de­re da­für ge­ge­ben. Am letz­ten Tag, als sie mich zu dem Spe­zi­al­test von euch iso­lier­ten, be­kam ich Chro­no­lep­ti­ka ver­ab­reicht.“
    „Chro­no­lep­ti­ka?“
    „Das sind Mit­tel, die das Zeit­ge­fühl zer­stö­ren. Das al­les ha­be ich

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