Science Fiction Almanach 1983
Wohnspiralen-Crew!“ schrie Muja plötzlich und sprang hoch.
Die Tür summte auf – Argo stand auf der Schwelle. Argo, die Allgegenwärtige, die Projektleiterin, die sechs Wohnspiralen betreute. Sie allein durfte jederzeit Nachschau halten, auch unangemeldet. „Mens sana in corpore sano!“ grüßte sie mit militärischem Unterton und winkelte dazu den rechten Arm mit waagrechter Hand vor die linke Brust.
Vierfach scholl der Uraltslogan als Grußformel zurück. Alle Mädchen hatten sich dazu erhoben.
„… corpore sano. Ich muß dabei immer an Sahne denken!“ versuchte sich Chalila an einem Witz.
„Vorsicht, Küken! Für Übergewichtige ist in unserem Gesundheitssystem kein Platz. Darum müssen wir alle erbarmungslos auf unser Instruktionsgewicht achten.“
„Sei bitte nicht böse, Argo!“
„Aber ich bin nie böse, Chalila. Ich bin immer nur um euer Wohl besorgt. Vergeßt das nie, meine Lieben.“ Argo versuchte ein Lächeln. Weil jede Herzlichkeit darin fehlte, ähnelte es eher einer Mundgymnastik. Die Funktionärin, mittelgroß, aber mit der Haltung, als habe sie eine Reitgerte verschluckt, trug Inseluniform: hellblaue Schalbluse unter dunkelblauer Steppweste mit gleichfarbigem Hosenrock, breitem Ledergürtel und Sommerstiefeletten. Der Funksprechklip an der Westenborte wirkte wie ein modernes Schmuckstück. „Morgen um neun Uhr a.m. erwarte ich euch pünktlichst zum Body-Tüv, selbstverständlich nüchtern. Auf dem Plan steht neben dem Makrophagentest der Immunogen-Systemvergleich. Außerdem geht es um die weitere Auswertung euerer Histokompatibilitätstypisierung. Dies alles bedeutet für euch einen großen, bedeutsamen Schritt auf das FINALE zu. Also, dann Adjiis zusammen!“
Nach einem vierstimmigen „Adjiis“ trat Argo mit einer Kehrtwendung auf den Flur. Die Tür summte zu. Die Mädchen waren wieder unter sich. Eine Minute lang redete keine von ihnen ein Wort. Der Body-Tüv war nicht sonderlich beliebt. Kunststück! Wer drückt sich schon gerne stundenlang in einem elektronischen Diagnoseklinikum oder in medizinischen Speziallabors herum? Doch das gehörte zum Aktivkurlaub wie der Hummer zu Forsetisland.
Tyra schloß die Augen. Ein Durcheinander von Satzfetzen spiralte hinter ihrer Stirn. Wie in einer Großaufnahme sah sie Tessas Lippen sich dazu bewegen: Wir sind die Transplantinnen für die Toptausend … modernste Farm zur Aufzucht von Körperersatzteilen … mit einer immungeimpften Austausch-Niere ins dritte Jahrtausend … ein Auge und eine Niere haben sie mir bereits herausgeschnitten … Gleichteiler … Chronoleptika … Serientypen … wie man sich eine Forelle keschert …
Tyra schlug beide Hände vor das Gesicht, ihre Knie gaben nach, schlapp ließ sie sich zu Boden gleiten. Die Wärmeleitsonden der Fußbodenheizung fühlten sich kalt an. Natürlich, es war ja Sommer.
„Was hast du? Sackt einfach zusammen! Was ist los?“ hörte sie die Mädchenstimmen durcheinander seh wirren. Sie glotzen dich an wie ein Opfer, wie ein Opfer … überlegte Tyra, als sie endlich die Augen öffnete und die drei Gesichter dicht über sich gebeugt sah. Allen Mut zusammennehmend, musterte sie eines nach dem anderen, holte tief Atem und fragte entschlossen: „Soll ich euch ein Geheimnis verraten?“
Laserma strich sich ihre Locken zurück und richtete sich auf. „Ich liebe Geheimnisse, falls ich sie nicht für mich behalten muß.“
„Mach’s nicht so spannend!“ maunzte Muja.
Tyra begann provozierend laut das Spieluhrmotiv zu pfeifen …
„Danke, daß ihr gekommen seid! Aber ich halte es für meine Pflicht, euch zu
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