Science Fiction Almanach 1983
entfernt.“
„War wohl nicht zu vermeiden. Schwere Quetschung oder so.“
„Eine gequetschte Niere verpflanzt man nicht.“
„Habe ich eine neue Niere bekommen?“
„Komische Frage! Sie haben sie nicht bekommen, man hat sie Ihnen entnommen. Als Transplantat für meinen Bruder. Dafür wollte ich Ihnen herzlich danken. Ich heiße Jill.“
Der Armbandrecorder schwieg. Die Übelkeit, die damals in Tessa hochgeschossen war, zerrte auch jetzt, in der Erinnerung, an ihren Magennerven. Blitzlichtartig hatte sie damals das ganze Unfallmärchen begriffen, das bloß als Freibrief zur Organentnahme diente. Deshalb wurden ihr auch keinerlei Einzelheiten über den Hergang des Unfalls mitgeteilt. Die Ausrede hieß immer: Schockgefahr. Seit damals hatte sie ihren Schock weg.
„Und wo steckt diese Jill jetzt?“ ließ sich Laserma als erste vernehmen.
Tyra bestätigte, daß sie sie kennengelernt habe. „Sie trainiert für die dreiunddreißigste Weltmeisterschaft der Hai-Angler.“
Die Inselinformation hatte einen ausführlichen Bericht über diese Sportfischer gebracht. Und die Gründe vor Forsetisland galten als Dorado der deutschen Hochseeanglerei. Mit einem acht Zentimeter langen Haken an Stahlseide drillten die vom Haifieber gepackten Angler mit ihren Hohlglas-Spezialruten vorwiegend Grund- und Hundshaie sowie den gefleckten Katzenhai. Aber auch Dornhaie, die rastlosen Wanderer mit dem Beinamen Wolfsrudel der Meere – aus dem kräftigen Dorn vor beiden Rückenflossen können sie Gift verspritzen –, zählten zu den begehrten Trophäen. Als geräucherte „Schillerlocken“ landeten sie auf deutschen Speisetafeln.
Welche Jagdinstinkte verbargen sich hinter der kühlen Stirn dieser Jill Larsson, die auch Tyra so geschickt observiert hatte? Wie alt mochte sie sein – dreißig? Oder dreiunddreißig, weil sie zur dreiunddreißigsten Hai-Angel-Weltmeisterschaft antrat? Tyra schob alle Spekulationen beiseite.
„Jill hat eine Menge guter Beziehungen“, erklärte Tessa währenddessen den Mädchen. „Sie veranlaßte, daß ich mit ihrem Bruder nachträglich die Organweihe vollzog. Das gab mir einen offiziellen Status. Nur so konnte ich überhaupt auf die Insel zurückkommen.“
„Organweihe? Nie gehört! Was soll denn das sein?“ fragten die Mädchen durcheinander. Sie wußten von Fahnenweihen, Schiffsweihen, Kanonenweihen, Jugendweihen, Arbeiter weihen, Ehe weihen, Grab weihen und so weiter, je nach Institution.
„Ja, für Organspenderinnen gibt es jetzt die Organweihe“, berichtete Tessa weiter. „Das ist eine Art standesamtlicher Ritus ohne Unterhaltsverpflichtung und Ehekriegs folgen.“ Durch eine Zeremonienparodie gelang es ihr, wenigstens für eine Minute lang etwas von der alten Vertraulichkeit herzustellen, die die frühere Wohnspiralencrew einst verbunden hatte. Tessa gab ihrer Stimme den salbungsvollen Ton einer Standesbeamtin: „Bist du bereit, in guten Zeiten deiner rechten Niere zu entsagen, um sie einem Bedürftigen einpflanzen zu lassen, damit dessen Produktionskräfte zum Wohle des Volkes wiederhergestellt werden, so antworte mit einem vernehmlichen Ja!“
„Ja“, kicherte das Küken. Die Tränen waren schon wieder versiegt.
„So erkläre ich kraft meines Amtes und der Statuten von Universal-Transplant eure immunbiologische Organ-Gemeinschaft für besiegelt und geweiht“, salbaderte Tessa zu Ende.
„Ach, du irrer Globus!“ manifestierte Muja ihr Erstaunen.
„Ich glaub, mich kneift ein Hummer!“ ulkte Chalila.
Tyra blieb ernst: „Und weshalb hat man dir ein Auge …“ Sie
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