Science Fiction Anthologie Band 3 - Die Vierziger Jahre 1
Veranda machten sie halt. Cay blickte hinaus auf die freie Steppe, wo ganze Herden von Antilopen grasten. Teth stand dicht neben ihm und folgte der Richtung seines zeigenden Arms. Sie erblickte jedoch nicht mehr die Tiere, sondern ihre Augen blieben auf seinem Handgelenk hängen. Einen Augenblick nur, dann stieß sie einen kaum hörbaren Schreckensruf aus, wich vor ihm zurück. Sie hob instinktiv die Hände, als er ihr erstaunt folgen wollte.
„Bleib! Komm mir nicht zu nahe, Cay! Geh weg!“
Er versuchte ein Lächeln, obwohl er ihren Scherz nicht verstand. „Was ist?“ fragte er und kam auf sie zu.
Sie schrie auf, diesmal laut und schrill.
„Geh weg! Weg von mir!“
Ganz langsam kroch in Cay die entsetzliche Erkenntnis hoch, daß dies kein Scherz, sondern tödlicher Ernst war. Das Blut schien zu stocken, und in seinem Gehirn entstand eine gräßliche Leere. Ohne auf seinen Arm zu schauen wußte er, daß er der Bitte von Teth entsprechen mußte, obwohl er nicht verstehen konnte, daß dies ohne Abschied geschehen sollte.
Und dann drehte er sich um und ging mit Füßen, die aus Blei sein mußten, den Gang zurück. Hinter sich vernahm er das verhaltene Schluchzen des Mädchens, hörte ihr Weinen. Doch dann kamen ihm Stimmen entgegen, Stimmen, die er so gut kannte. Einige seiner Gefährten wollten sich zur Veranda begeben, würden ihm gleich begegnen. Plötzlich konnte er sich wieder bewegen, sogar laufen. Aus seinem Munde kam nur ein einziges Wort, das er ihnen entgegenbrüllte:
„Die Seuche!“
Zuerst verstanden sie nicht, aber dann war der Gang plötzlich wie leergefegt. Blitzschnell hatten sich die Männer in die nächstbesten Zimmer geflüchtet.
Cay war wieder allein. Er verlangsamte seine Schritte, nahm mit einem Blick noch einmal alles in sich auf und stand dann vor DEM RAUM.
Die Außentür glitt auf, schloß sich wieder. Dann erst öffnete sich die innere Tür, und er betrat die Todeszelle. Es war ein kalter, schmuckloser Raum. Kein Fenster, kein Möbelstück, nichts. Nur der Tod. Von den glatten Wänden strahlte ein gleichmäßiges, eisiges Licht.
Wie fasziniert starrte Cay auf seinen Unterarm. Ja, da waren sie, die winzigen Spiralen. Er konnte sich nicht erklären, daß er sie nicht selbst entdeckt hatte, vorhin nach dem Waschen. Noch während er auf die kaum wahrnehmbaren Kreise schaute, wurden diese größer. Die Viren arbeiteten, ihr Ziel war das Herz. Es waren die gleichen Viren die damals aus dem Weltraum zum Mars gekommen waren und dessen Leben innerhalb von wenigen Tagen zerstört hatten.
Und in wenigen Stunden würde auch er, Cay, tot sein.
Er dachte an die anderen und schauderte zusammen. Sie würden keine Chance haben. Zu oft war er stets mit Teth zusammengewesen, auch sie trug den Tod nun in sich. Oder jene, die den Korridor herabkamen, ehe er zu DEM RAUM gelangen konnte.
Verzweifelt warf er sich auf den harten Boden, blickte hinauf gegen die bemalte Decke. Etwas wie Befriedigung überkam ihn, als er an Unguh dachte. Die Erde hatte Unguh, und Unguh hatte das Feuer.
In wenigen hunderttausend Jahren würde Unguh nicht mehr nur mit Feuer spielen. Dann spielte er mit der Elektrizität – oder mit Atomen.
Cay war ganz ruhig, als er wartete.
Er wartete nicht sehr lange.
Die Tür öffnete sich langsam, und ein Kopf schob sich
herein.
„Ich bin’s, Keddel. Du kannst genausogut auch herauskommen. Cay.“
Cay gab keine Antwort, sondern erhob sich schweigend.
Er hatte noch nicht begriffen. Keddel kam herein, zog die
Tür achtlos hinter sich zu. Er schritt auf Cay zu und legte
seine Hand auf dessen Schulter.
„Es hat keinen Zweck mehr. Wir sind in der gleichen
Lage wie du.“
Cay ließ die Schultern hängen.
„Es ist nur meine Schuld!“ klagte er sich bitter an. „Keiner hat Schuld, Cay! Komm mit, die anderen warten
nur noch auf dich. Sie sitzen am gedeckten Tisch. Kein Gott
soll uns daran hindern, daß wir Teths Geburtstag feiern!“ Cay dachte flüchtig an den Vers, den er für sie gedichtet
hatte. Ob seine Freunde jetzt auch noch darüber lachen
konnten?
Dann fiel ihm etwas ein.
„Habt ihr Fenster und Türen dicht verschlossen?“ „Teth hat daran gedacht. Unguh soll seine Chance haben.“ Sie verließen DEN RAUM.
„Teth erwartet dich in ihrem Zimmer.“
Sie saß auf dem Bett und warf sich ihm um den Hals, als
er ihr Zimmer betrat. Wenige Minuten verweilten sie so,
dann schritten sie gemeinsam zur Veranda, deren Glasfenster hermetisch geschlossen waren.
Die achtundzwanzig Freunde erwarteten
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