Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2
Allan Hartley durchblätterte erst das eine Buch, dann das andere. Manchmal bewegte sich sein Bleistift sehr schnell. Dann wieder malte er geistesabwesend kleine Figuren. Für ihn war es keine Frage mehr, was oder wer er war. Er war Allan Hartley, ein Mann von dreiundvierzig Jahren, gestrandet in seinem dreizehn Jahren alten Körper. Er befand sich in seiner eigenen, dreißig Jahre zurückliegenden Vergangenheit. Dies war natürlich entgegen allen Vorstellungen des gesunden Menschenverstandes, worüber er sich jedoch leicht hinwegzusetzen vermochte. Derartiges hatte sich schon früher ereignet … mit der Astronomie des Kopernikus, der Geographie des Kolumbus, der Biologie Darwins, der industriellen Technologie Samuel Colts und mit den militärischen Doktrinen von Charles de Gaulle. Der gesunde Menschenverstand von heute besaß die schlechte Angewohnheit, sich in den völligen Unsinn von morgen zu verwandeln. Was er im Augenblick benötigte, und zwar ganz dringend benötigte, war eine Theorie, die zu erklären vermochte, was mit ihm geschehen war.
Er war eben im Begriff, die Sache zu verstehen, als Frau Stauber erschien, um anzukündigen, daß das Mittagessen fertig sei.
„Ich hoff, Sie sind nit bös, wenn ich’s heut so früh servier!“ entschuldigte sie sich. „Mei Schwester, die Jennie drüben in Nippenose, ist krank. Ich möcht gern heut nachmittag mal rüberschaun. Ich werd rechtzeitig fürs Nachtessen wieder dasein.“
„Hör mal, Papa“, sagte Allan. „Warum könnten wir uns nicht selber unser Nachtessen richten, so wie ein Picknick, meine ich? Würd’n Spaß sein, und Frau Stauber könnte wegbleiben, solange sie will.“
Der Vater schaute ihn an. Derartige Rücksichtnahme anderen gegenüber war eine herzlichst zu begrüßende Abweichung von der jugendlichen Norm. Aufdämmern des Altruismus oder so was. Er gab bereitwillig seine Zustimmung.
„Aber natürlich, Frau Stauber! Allan und ich können für uns selber sorgen. Nicht wahr, Allan? Sie brauchen vor morgen vormittag nicht zurückzukommen.“
„Ach, danke schön! Danke vielmals, Mr. Hartley!“
Beim Mittagessen konnte Allan sich dadurch vor der Last einer Konversation drücken, daß er seinem Vater Fragen über den Krieg stellte. Schlau entlockte er ihm eine ausgedehnte Darstellung der Schwierigkeiten der bevorstehenden Invasion Japans.
Dies amüsierte Allan, der sich deutlich der Ereignisse der nächsten vierundzwanzig Stunden erinnerte, ganz außerordentlich. Sein Vater war überzeugt, daß der Krieg bis Mitte 1946 dauern würde.
Nach dem Essen gingen die beiden auf die Veranda zurück. Hartley Vater rauchte eine Zigarre. Unter dem Arm trug er ein paar juristische Bücher. Nur gelegentlich warf er einen Blick darauf. Meist saß er da, blies Rauchringe in die Luft und beobachtete, wie sie entschwebten. Ein dreifach schuldiger Verbrecher stand vor seiner triumphalen Freisprechung durch weinende Geschworene. Allan erkannte, daß er Zeuge der Ausbrütung eines Meisterstücks im Gerichtssaal war.
Einige Stunden später veranlaßte das Knirschen von Schritten auf dem Sand des Weges Vater und Sohn, gleichzeitig aufzuschauen. Der sich nähernde Besucher war ein großer Mann in einem zerdrückten schwarzen Anzug. Er hatte knotige Gelenke und große ungeschickte Hände. Sein Haar war durchsetzt mit grauen Flecken, und sein Gesichtsausdruck war hart und bigott. Allan erinnerte sich seiner. Frank Gutchall war sein Name. Wohnte in der Campbell Street. War religiöser Fanatiker, eine Art von Laienprediger. Vielleicht brauchte er den Rat des Rechtsanwalts. Ganz dunkel konnte Allan sich eines Zwischenfalls erinnern …
„Ach, guten Tag, Mr. Gutchall! Schöner Tag heute, nicht wahr?“ sagte Blake Hartley.
Gutchall räusperte sich. „Mr. Hartley, ich komme, Sie darum zu bitten, mir einen Revolver und ein paar Kugeln zu leihen“, begann er verlegen. „Mein kleiner Hund hat sich verletzt. Leidet schrecklich. Möchte den Revolver, um das arme Vieh von seinen Schmerzen zu erlösen.“
„Aber selbstverständlich! Wie wäre es mit einem zwanziger Gewehr?“ fragte Blake Hartley. „Was Schwereres brauchen Sie ja wohl nicht!“
Gutchall wand sich. „Na ja, ich hoffte eigentlich, Sie würden mir einen Revolver geben können!“ Er hielt seine Hände etwa fünfzehn Zentimeter auseinander, ,,’n Schießeisen, das ich in die Tasche stecken kann. Es würde nicht gut aussehn, wenn ich am heiligen Sonntag mit ‘nem Jagdgewehr durch die Stadt ginge. Die Leute würden
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