Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2
instruierte ihn ihre Schwester nervös. „Und sie weint wirklich nur dann, und zwar regelmäßig und lang. Wenn Sie sich also beeilen, passiert nichts. Jedenfalls nicht viel.“
Er begleitete sie zur Tür. „Ich werde mich beeilen“, beruhigte er die Mutter. „Gut, daß Sie mir den Tip gegeben haben.“
Mrs. Lipanti blieb an der Tür stehen. „Habe ich Ihnen von dem Mann erzählt, der sich heute nachmittag nach Ihnen erkundigt hat?“
Schon wieder?
„Ein ziemlich großer, alter Mann in einem langen, schwarzen Mantel?“ fragte er.
„Ja. Und er hat mir so in die Augen gesehen, daß mir angst wurde und hat halblaut gemurmelt. Kennen Sie ihn?“
„Nicht genau. Was wollte er denn?“
„Nun, er fragte, ob ein Sam Weaver hier wohnte und ob das ein Anwalt sei und ob er die letzte Zeit hauptsächlich in seinem Zimmer zugebracht hätte. Ich sagte ihm, wir hätten einen Sam Weber – Ihr Vorname ist doch Sam? –, auf den diese Beschreibung sehr exakt zutreffe, aber der letzte Weaver sei vor einem Jahr ausgezogen. Er sah mich eine Weile an und sagte dann, ,Weaver – Weber – vielleicht haben die sich geirrt’. Und dann ging er weg, ohne sich zu verabschieden. Kein besonders höflicher Herr.“
Sam ging nachdenklich zu dem Kind zurück. Eigenartig, was für eine klare Vorstellung er sich schon von diesem Mann gebildet hatte! Wahrscheinlich kam das daher, daß die beiden Frauen, mit denen er bis jetzt gesprochen hatte, sehr leicht zu beeindrucken waren. Freilich schien es auch so, als wäre es ein sehr eindrucksvoller Mann.
Er bezweifelte, daß es ein Irrtum gewesen war: der Mann hatte beide Maie ihn gesucht. Sein Wissen um den Urlaub, den Sam sich letzte Woche genommen hatte, bewies das. Dabei schien es, als wäre er gar nicht daran interessiert, ihn zu treffen, bis seine Identität völlig zweifelsfrei feststand. Der Mann dachte wie ein Jurist.
Die ganze Angelegenheit hatte mit dem Build-A-ManBaukasten zu tun, daran bestand für ihn kein Zweifel. Diese ganze heimliche Untersuchung hatte erst begonnen, als das Geschenk aus dem Jahre 2353 angeliefert worden war – und als Sam angefangen hatte, es zu benutzen.
Aber solange die Gestalt in dem langen, schwarzen Mantel nicht selbst auf Sam Weber zugeschlurft kam und sagte, was sie wollte, konnte er nicht viel dagegen unternehmen.
Sam ging die Treppe hinauf zu seinem Junior Biokalibrator.
Er klappte das Handbuch auf, lehnte es ans Bett und schaltete das Gerät auf volle Leistung. Das Kind gab unartikulierte Laute von sich, als der Kalibrator über seinen pummeligen Körper gerollt wurde und einen Metallstreifen aus seinem Schlitz von sich gab, der – so stand es im Handbuch – eine ganz detaillierte physiologische Beschreibung enthielt.
Die Beschreibung war auch wirklich detailliert. Sam staunte, als das Band auf dem Bildschirm Informationen über das Kind gab. Chromosomenqualität, Gehirninhalt, Drüsenkapazität – alles für Konstruktionszwecke in einzelne Daten zergliedert. Schädelexpansion in Minuten, für die nächsten zehn Stunden angegeben; Geschwindigkeit der Knorpeltransformation; Unterschiede in der Hormonsekretion im Ruhezustand und im aktiven Zustand.
Das war ein echter Konstruktionsplan – mehr konnte man nicht erwarten.
Sam rannte hinauf. Mit Hilfe der Daten auf dem Band stutzte er seine Eiweißbausteine auf die richtige Größe zurecht. Und dann, noch ehe es ihm richtig bewußt wurde, konstruierte er einen kleinen Menschen.
Er staunte, wie leicht ihm die Arbeit von der Hand ging. Offenbar wurde bei diesem Spiel auch die Fingerfertigkeit ausgebildet; es war ihm viel schwerer gefallen, den Mannikin zusammenzustellen. Freilich machte ihm die Duplizierung, noch dazu von einem Informationsband unterstützt, wesentlich weniger Mühe.
Das Kind nahm unter seinen Augen Gestalt an.
Eineinhalb Stunden, nachdem er die ersten Maße genommen hatte, war er fertig. Jetzt mußte er sein Werk nur noch beleben.
Einen Augenblick ließ ihn die häßliche Vorstellung, daß er sein Werk später wieder demontieren mußte, innehalten. Aber dann tat er den Gedanken ab. Er wollte unbedingt sehen, wie gut er seine Arbeit getan hatte. Wenn dieses Kind atmen konnte – was war ihm dann noch unmöglich? Außerdem konnte er es nicht lange im unbelebten Zustand belassen, ohne das Risiko einzugehen, sein Werk und die Materialien zu ruinieren.
Er schaltete den Vitalisator ein.
Das Kind bewegte sich und begann leise, aber gleichmäßig zu weinen. Sam rannte wieder in die Wohnung seiner
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