Science Fiction aus Deutschland
als ein Jahr im Hause behalten. Verbrauchen müssen wir! Verbrauchen! Wenn die Wirtschaft in Schuß bleiben soll – und das muß sie! –, müssen wir unablässig verbrauchen! Begreifst du denn nicht, daß die Vollbeschäftigung und unser aller Wohl vom Konsum abhängt? Willst du, daß wir als Asoziale eingestuft werden und im Arbeitslager enden?«
Margret stammte aus Schwarzafrika; er hatte sie dort bei Landvermessungen des Geographischen Instituts auf einer Missionsstation im Dschungel kennengelernt. Sie war in mancher Beziehung eine Wilde, aber das hatte ihm ja so sehr gefallen, das und vielleicht auch der gewaltige Hintern, der ihn an die Negerin Angelfood McSpade aus einem Crumb-Comic erinnerte. Nur verstanden hatte er sie niemals, und er wußte, daß er sie im Grund unglücklich gemacht hatte.
»Wenn die Lebensmittel nicht aus reinem Synthetik hergestellt würden«, erwiderte sie ziemlich ärgerlich, »würdest du im Dienste deiner geliebten Wirtschaft an Herzverfettung sterben.«
»Du willst mich einfach nicht verstehen. Es geht hier um das Prinzip. Wir leben im teilzahlistischen Wirtschaftssystem und können nichts daran ändern, selbst wenn wir das wollten. Das wäre Rückschritt. Das wäre wie … das wäre so, als hätten die ersten Menschen sich gefragt, wo das alles hinführen soll, als sie von den Bäumen herabkletterten und begannen aufrecht zu gehen. Wollen wir auf die Bäume zurückklettern?«
Er freute sich über seinen Vergleich. »Der Fortschritt ist doch in unserem Fall, daß wir etwas konsumieren, das erst unsere Nachkommen bezahlen.«
»Wir haben keine Nachkommen.«
»Und wenn schon«, sagte Walter etwas säuerlich, »unsere Erben, ganz gleich, wer sie sein mögen, müssen die von uns angetragene Erbschaft übernehmen, ob es ihnen paßt oder nicht. Das ist gesetzlich geregelt.«
»Ist auch gesetzlich geregelt, daß in Hamburg nicht mehr jedermann kaufen kann, was er will? Ich bin mir gar nicht mehr so sicher, ob es dir morgen gelingt, eine neue Einrichtung zu erstehen.«
»Was sind das für Parolen?«
»Das habe ich von Birgit. Ich habe mich heute morgen mit ihr unterhalten. In Hamburg gibt es eine Aktion 500 000 Stunden, wer stärker verschuldet ist, erhält gar nichts mehr.«
»Quatsch!«
»Ich geh zum Duschen«, sagte Alfred Beck und verließ das Wohnzimmer. Er sieht nicht gut aus, dachte Elke und blätterte lustlos in einem Stapel neuer Zeitschriften (Lesering-Ausgabe: 6 Frauenzeitschriften, 2 Sportzeitungen, ein Wirtschaftsblatt und zwei Kulturhefte, alles sehr preiswert in der wöchentlichen Sammelmappe zu DM 138, –, selbstverständlich hatte das nichts mehr mit dem auf Sammelbenutzung beruhenden Prinzip früherer Lesezirkel zu tun; hier war alles neu).
Aber kein Wunder, daß er schlecht aussah. Es ging ihnen nicht gut. Sie hatte noch hier und da ein paar Einkaufsquellen entdeckt und sich leidlich mit Lebensmitteln eindecken können, aber auch diese Quellen waren inzwischen versiegt, weil sich die Inhaber der neuen Aktion angeschlossen hatten. Wie sollte das enden? Und Presse und Fernsehen schwiegen. Man hörte nichts. Dabei ging diese Aktion doch offensichtlich so viele Leute an. Nur Alfred wollte nicht wahrhaben, daß auch andere betroffen waren. Er hielt es für eine Verschwörung allein gegen seine Familie und war nicht davon abzubringen. Er erzählte davon, daß die Kollegen hinter seinem Rücken tuschelten; dabei tuschelten sie vielleicht gerade über die gleichen Probleme, die auch ihn betrafen. Gewiß gab es einige, die aufgrund ihrer vielen Kinder oder ihrer gesellschaftlichen Privilegien weit unter der 500 000-Stunden-Grenze lagen und die ihre Verachtung offen zeigten, aber es gab auch Leute, die viel schlechter dran waren. Gestern war Alfred beim Psychiater gewesen, aber auch der hatte ihn nicht behandeln wollen. »Wen wollen Sie denn behandeln, wenn Sie nicht den Leuten helfen, die Probleme haben? Wollen Sie denn nicht verdienen?« hatte Elke aufgebracht gefragt.
»An ihnen verdiene ich ja nichts. Ihren Schuldschein nimmt mir niemand ab.«
»Und wovon wollen Sie in Zukunft leben?«
»Das hat Sie nicht zu interessieren, aber seien Sie unbesorgt, es gibt Stellen, die mir meinen Verdienstausfall ersetzen!«
Salewski hatte sein Referat beendet und Shalevi hielt das Gegenreferat. Er hakte sofort bei dem Schuldschein-Kaufpreis ein und verlangte, weit über die von Salewski geforderte progressive Anhebung der Verlustzinsen in Proportion zur Höhe der schon
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