Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Science Fiction aus Deutschland

Science Fiction aus Deutschland

Titel: Science Fiction aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers und Ronald M. Hahn Hrsg.
Vom Netzwerk:
riskant bei älteren Frauen, sagte ihm der Arzt unter vier Augen, aber es werde schon gut gehen … Doch das aufmunternde Lächeln geriet ihm etwas dünn und um eine Spur zu gleichgültig.
    Ann überlebte es nicht, und die Beerdigung war ein dünner schwarzer Zug, der nicht so recht in den ausgelassenen, bunten Herbst passen wollte. Es roch nach süßem Obst und feuchter, frisch aufgebrochener Erde, und die Tage liefen weiter wie die Zeiger einer Uhr, sie wurden stiller, einsamer und kälter. In weicher Traurigkeit trieb das Jahr seinem Ende zu.
    Die Nebel kamen und die Nächte ohne Schlaf, in denen alles merkwürdig unwirklich wurde, die Erinnerung an das gemeinsame Leben, an die Reisepläne, die sich langsam in Phantasiegebilde auflösten. Der gemeinsame bunte Traum von einst wurde jeden Tag um eine Spur blasser, wie die Farbdrucke auf den Prospekten, und eines Tages setzte er sich abends vor den Kamin und sah sich die Bilder ein letztes Mal an, bevor er sie ins Feuer warf, und die weiten, toten Landschaften unter unwirklich roten und blauschwarzen Himmeln, die grenzenlosen Wüsten und eisigen Schneefelder, die Krater und Gebirge, Täler und Schluchten in Flammen aufgingen, als sei die Sonne vom Himmel gestürzt und verschlinge sie.
    Dann fiel der erste Schnee und brachte einen jener schmutzigen, naßkalten Winter, wie sie jedes Jahr einige Tage über London niedergehen. Mr. Tensley machte seine täglichen Spaziergänge im Park. Zuweilen setzte er sich auf eine Bank und betrachtete die Bäume. Er fühlte sich langsam erstarren, verwandt diesen schwarzen, kahlen Geschöpfen, die in der Einsamkeit des sich herabsenkenden Abends dem Winter entgegendämmerten. Manchmal schreckte ihn ein jäher Vogelschrei, der in der kalten Luft klirrte.
    Das Haus schien mit Ann gestorben zu sein, und die Stille lag drückend über den zahllosen Gemeinsamkeiten, die die Wohnung füllten und ihn anstarrten, wo er auch hinsah.
    Eines Tages beschloß er, ein möbliertes Zimmer zu suchen, und er fand es in einer stillen Gegend, mit Blick auf einen Hinterhof, wo zwischen trostlosen, rußgeschwärzten Backsteinmauern düstere Bäume standen, seine schweigenden Freunde. Es war genau die Bleibe, die er suchte, um sich für ein kurzes, einsames Leben einzurichten. Die Wirtin war eine junge, unscheinbare Frau, die stets Trauer trug und selten sprach. Ihr Mann war vor Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen; der Schicksalsschlag hatte sie offenbar verschüchtert und sehr religiös werden lassen.
    Tensleys Einzug war unauffällig, seine Habe bescheiden, das alte Haus hatte er zum Verkauf ausschreiben lassen. Man würde es abreißen, hatte man ihm mitgeteilt, es sei nichts wert, zu klein, nur das Grundstück würde einiges bringen. Aber das war ihm im Grunde genommen gleichgültig, auch wenn er die Mitteilung etwas brutal fand. Nun, er hatte sein Auskommen, er brauchte nicht mehr viel. Er lebte zurückgezogen, und als dann der Frühling selbst die lichtlosesten Hinterhöfe mit Grün, einem Hauch von Blüten und einem Streifen Nachmittagssonne bedachte, hatte sich Tensley in seiner neuen Behausung schon so weit eingewöhnt, wie es eben für alte Leute noch möglich ist. Niemand beachtete ihn, wenn er mittags das kleine Restaurant aufsuchte, wo er jeden Tag an einem kleinen Nebentisch sein Mittagessen verzehrte und ein Bier trank, um danach seinen Spaziergang zu machen. Die Nachbarn waren freundlich zu ihm, wenn sie Notiz von ihm nahmen. – Sie taten es selten. – Er empfand es als angenehm.
     
    Mrs. Scott pflegte sein Zimmer aufzuräumen, wenn er außer Haus war, und weil er wußte, daß es ihr peinlich war, wenn er sie bei der Arbeit überraschte, richtete er es so ein, daß er immer zur selben Zeit nach Hause zurückkehrte. Das geschah in gewissenhafter Pünktlichkeit, nachdem er bei Bakers zu Abend gegessen und seinen täglichen Bummel durch die Churchwood-Street gemacht hatte.
    Es war an einem jener späten Herbstabende, an denen der trübe, braune Nebel sich lautlos aus der Themse zu heben scheint und über die Stadt ergießt, eine seltsam zeitlose Stimmung heraufzieht, die das Licht trübt und die Geräusche auf der Straße dämpft, während schattenhafte Ungeheuer über dem unsichtbaren Wasser klagende Schreie ausstoßen.
    Tensley sah auf die Uhr. Es waren wenige Fußgänger unterwegs, und er spürte, als er in die dunkle Gasse einbog, in der er wohnte, daß ihn die Luft und die Nachmittagssonne ermüdet hatten. Einige Laternen

Weitere Kostenlose Bücher