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Science Fiction aus Deutschland

Science Fiction aus Deutschland

Titel: Science Fiction aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers und Ronald M. Hahn Hrsg.
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her. Draußen begann es gerade zu schneien, und der Winterhimmel lag niedrig über den Dächern, leicht gerötet vom Widerschein der Leuchtreklamen. Die Flocken sanken stetig und schwer, und die Luft schwamm in feuchtem Zwielicht, die jeden Laut dämpfend auffing und weich zu Boden gleiten ließ wie den Schnee.
    Er sah Mrs. Scott, wie sie unter den Straßenlaternen auftauchte, im Dunkel dazwischen wieder zu verschwinden schien, um im nächsten Lichtschein wieder Gestalt anzunehmen. Sie hatte einen Schirm aufgespannt. Mr. Tensley folgte ihr, ohne sie aus den Augen zu lassen. Er war tatsächlich etwas aufgeregt. Belustigt schüttelte er den Kopf, dachte schmunzelnd an Detektivgeschichten und alte Kriminalfilme.
    Sie ging nicht weit, und er hielt inne, als sie vor einem tiefen, düsteren Portal stehenblieb, den Schnee vom Schirm schüttelte und durch die Tür verschwand. Gleich darauf stieg auch er die ausgetretenen, flachen Steinstufen der alten Kirche hinauf und stand vor einer schweren, eisenbeschlagenen Tür. Er zögerte und überlegte, ob er nicht doch wieder umkehren sollte, schalt sich einen Feigling und trat entschlossen ein. Es war ein dürftig beleuchteter Vorraum; zwei ältere Leute, die kurz vor ihm gekommen waren, legten ihre Mäntel ab und verschwanden durch einen schweren Vorhang, hinter dem der Widerschein matten Kerzenlichts über die Wände huschte. Das Kirchlein war eng und niedrig und beinahe voll, leises Murmeln von Betenden erfüllte den Raum, das Husten einer Frau hallte schrecklich laut von den kahlen Steinwänden wider. Der Gottesdienst hatte offenbar noch nicht begonnen. Tensley setzte sich in die letzte Reihe und sah sich unauffällig um. Die Wände waren nackt, kein Schmuck, keine Bilder, aber dennoch umgab einen hier die Atmosphäre der warmen, fast behaglichen Festlichkeit einer Mitternachtsmesse, und er fühlte sich bald nicht mehr als Eindringling, sondern gewann sogar ein gewisses Gefühl der Verbundenheit mit den Anwesenden, zumeist älteren Männern und Frauen, die in Andacht versunken beteten und auf den Beginn der Messe warteten. Sein Blick glitt die leeren Wände entlang und fiel auf einen hohen, geschlossenen Altar, der geöffnet sicher die ganze Stirnseite des Raums einnehmen mußte.
    Der Gesang setzte unvermittelt ein, und der Dienst begann. Zwei schwarz gekleidete Jungen traten vor den Altar, verbeugten sich und öffneten die Flügel.
    Tensley erschrak.
    Das Innere des Altars war schwarz, nicht bemalt wie die Flügel alter Wandelaltäre, wie er es eigentlich erwartet hatte, sondern von einer matten glanzlosen Schwärze, die drohend aufgähnte und ihm Angst einflößte, unnahbar erschien wie das Allerheiligste im Tempel einer schrecklichen Gottheit.
    Ehrfürchtiges Schweigen erfüllte plötzlich den Raum.
    Stille.
    Eine dunkle Gestalt trat vor die Anwesenden. Es mußte dieser Ramsey sein, der Oberpriester der Gemeinde. Sein Talar war schwarz wie die Fläche hinter ihm. Sein Gesicht schien körperlos über den gebeugten Köpfen der Anwesenden zu schweben und strahlte Erhabenheit aus und eine Kraft, die selbst Tensley, den Unbeteiligten, in seinen Bann zog. Zweifellos ein ungeheuer beeindruckender Effekt – vermutlich sehr bewußt eingesetzt.
    Der Raum war voll Erwartung und Schweigen. Dann hob leise ein monotoner Singsang an, eine Art Gebet, das immer lauter und intensiver wurde. Man spürte das Aufsteigen einer Kraft, die wuchs und mitriß.
    Der Vorhang im Hintergrund teilte sich, und ein Greis wankte herein, gestützt von den beiden Jungen, die den Altar geöffnet hatten. Er ging mühsam, und seine Füße schlurften über den Steinboden, aber sein Kopf war hochgereckt, und seine Augen glänzten.
    Der Singsang schwoll an und trug den alten Mann, wurde lauter, als er sich dem Altar näherte.
    »Du gehst jetzt den Weg den Weg in die Nacht …«
    »Ich werde ihn gehen«, stöhnte der Alte.
    »… und hinter dir lassen das Fleisch und die Schwachheit, dieses Ufers am Nichts und treten ans andere, jenseits der Nacht, ans Ufer der Hoffnung, ans Ufer des Lichts, jenseits des Todes …«
    »Jenseits des Todes …
    Ufer des Lichts«, krächzte der Alte schwach.
    »Du gehst jetzt den Weg, den Weg in die Nacht …«, murmelten die Anwesenden eindringlich.
    Tensley war gepackt von der unerhörten Kraft des Ritus. Er spürte den Sog, der von dem schwarzen Altar ausging, seiner magischen Leere, auf die man zutrieb wie in einen Strudel. Tensley klammerte sich an seinem Stuhl fest und schloß

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