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Science Fiction aus Deutschland

Science Fiction aus Deutschland

Titel: Science Fiction aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers und Ronald M. Hahn Hrsg.
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die Augen, aber die Flut stieg weiter.
    Die Knaben ließen den Greis los. Er taumelte die letzten Schritte auf den Altar zu, taumelte mit ausgebreiteten Armen gegen die Altarwand, als wollte er sie durchbrechen.
    Der monotone Singsang erreichte seinen Höhepunkt, flutete gegen die Wände, brandete verstärkt zurück.
    Das flackernde Licht der Kerzen tauchte die Szene in ein gespenstisches Licht. Der Alte stolperte aufrecht gegen die schwarze Fläche und der Gesang brach mit einem jauchzenden, schrillen Aufschrei ab. Mit einemmal Schweigen, tödliches Schweigen. Es war, als erbebe der Altar unter dem Aufprall, und Tensleys überanstrengten Augen schien es, als ob ein schwach flimmerndes Leuchten über die dunkle Fläche huschte. In der plötzlich eingetretenen Stille hörte man entsetzlich laut, wie die ausgebreiteten Hände des Greises erst langsam und dann immer schneller an der glatten Altarwand herabglitten, bis der stürzende Körper dumpf auf dem Boden aufschlug, zur Seite rollte und auf dem Rücken liegen blieb.
    Der Mann war tot, daran war nicht zu zweifeln. Tensley war sicher, daß er Zeuge eines merkwürdigen Todesfalls geworden war. Er wollte aufspringen, nach vorn eilen, doch er hielt sich zurück und kämpfte seine Erregung nieder. Er zitterte, als hätte er stundenlang im Schneesturm gestanden.
    Sie hoben den Leichnam auf und legten ihn auf eine Bahre. Dann trugen sie ihn schweigend hinaus, aber es war ein Schweigen ohne Traurigkeit, eher von einer stillen, innerlichen, sich bezähmenden Freude erfüllt. Diese Menschen waren tatsächlich glücklich, stellte Tensley verwirrt fest, dabei war vor ihrer aller Augen vor wenigen Augenblicken ein Mensch gestorben. Ungeheuerlich! Er schüttelte fassungslos den Kopf und blieb auf seinem Platz in der dunklen Ecke sitzen.
     
    Als alle längst den Saal verlassen hatten, saß Tensley immer noch da und beschwor in Gedanken versunken immer wieder das eben Erlebte herauf, ohne Klarheit zu finden. War dieser Tod zufällig? – Sicher nicht, das hatte nicht nach einem Unglücksfall ausgesehen. War es Mord? – Ritualmord? – Unwahrscheinlich. Vielleicht doch Euthanasie? – Aber der Mann war sehr alt und gebrechlich gewesen, die Aufregung könnte … Nein. Dagegen sprach die Reaktion der Leute. Er fand keine Antwort. Es war alles so ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte.
    So saß er immer noch auf der harten unbequemen Holzbank, als der Küster ihn ansprach, der die Kerzen löschte.
    »Entschuldigen Sie, Sir. Es wird gleich geschlossen.«
    Tensley sah verwirrt auf. Der Saal war leer, der Altar geschlossen und die dünnen Rauchfäden der gelöschten Kerzen schwebten zitternd im Halbdunkel. Er blickte in das Gesicht, das ihn ansah.
    »Ist der Mann tot?«
    »Natürlich, Sir«, sagte der Küster ungerührt. Ein feines spöttisches Lächeln spielte um seine Mundwinkel, aber seine Stimme hatte den professionell sanften und teilnahmsvollen Tonfall eines versierten Leichenbestatters.
    »Seine sterbliche Hülle wird übermorgen der Erde übergeben.« »Ist Mr. Ramsey zu sprechen?« fragte Tensley rauh mit plötzlicher Entschlossenheit. Er mußte sofort Klarheit haben. »Pater Ramsey ist immer zu sprechen. Er ist in der Sakristei, der Eingang befindet sich neben dem Altar. Er wird sich freuen …«
    Tensley stand auf und durchquerte den Raum. Der Altar war geschlossen und hatte seine Unnahbarkeit verloren. Er war jetzt nur noch Holz und Metall. – Nur noch? – Tensley blieb überrascht stehen, als er sah, wie tief der Altar war. Die etwa zehn Zentimeter dicke Altarplatte ging in einen Block von mindestens zwei Metern Tiefe über. Aus der Nähe sah es aus, als stünde im Altarraum ein riesiger Fernsehapparat. Tensley klopfte prüfend mit dem Knöchel dagegen. Es war eine massive Metallverkleidung, unter der sicher irgendwelche Geräte verborgen lagen. Die Sache wurde immer rätselhafter. Er klopfte an die Tür der Sakristei, öffnete und trat ein.
    Der Pater saß an einem Tisch und las. Der Raum war groß und kahl und schlecht beleuchtet, aber es standen einige Instrumente herum, die kaum sakralen Zwecken dienen konnten. Hier sah es eher wie in einem provisorischen physikalischen Labor aus als in einer Sakristei. Ramsey erhob sich und begrüßte ihn herzlich. Sie stellten sich vor. Ramsey musterte ihn und schüttelte zweifelnd den Kopf. »Mr. Tensley, – Tensley. Moment mal … Sie haben bei Professor Waitz in London studiert, oder täusche ich mich? Das sind – warten

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